Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
recht – ich muss mich sputen.«
»Dann spute dich«, sagte er, und sie hörte mehrere Autohupen im Hintergrund, ehe sie auflegte.
Sie legte das Vergrößerungsglas weg und nahm eine Haarbürste aus der untersten Schublade. Im Spiegel an der Rückseite ihrer Bürotür überprüfte sie rasch ihr äußeres Erscheinungsbild. Sie zog die Spange aus ihrem Pferdeschwanz. Es war einfacher, konzentriert zu arbeiten, wenn einem nichts in die Augen hing, doch jetzt bürstete sie ihr dichtes dunkles Haar, bis es über die Schultern fiel. Sie frischte ihr Make-up auf, das wenige, das sie aufgelegt hatte, schnappte sich die Jacke, die zu ihrem Rock passte, und eilte hinaus. Ihre Chefin, Berenice Cabot, würde schäumen, wenn sie noch später käme, als sie ohnehin schon dran war.
Besonders, da es sich um einen Empfang zu Ehren einer Ausstellung handelte, für die Beth als Kuratorin verantwortlich war: »Das Genie des Klosters: Bilderhandschriften des 11. Jahrhunderts«.
Heute Abend war die Presse eingeladen, um einigen der örtlichen Kunstkritiker, Kunstliebhaber und Freunden des Museums die Ausstellung ans Herz zu legen, die ausschließlich Artefakte aus dem umfangreichen Bestand des Getty zeigte. Unzählige Stunden hatte Beth damit verbracht, über den auserlesenen und seltenen Manuskripten der Sammlung zu brüten und genau die Beispiele herauszusuchen, die ihre These und Geschichte am besten illustrierten. Eine Ausstellung war mehr als eine beliebige Zusammenstellung von Gegenständen, die alle irgendetwas gemeinsam hatten, sie musste eine bestimmte Ausrichtung und eine Aussage haben. Das war eines der ersten Dinge, die man ihr am Courtauld Institute beigebracht hatte, wo sie nach ihrem Abschluss am Barnard College promoviert hatte.
Beth trat aus dem Fahrstuhl, stieß die schweren Glastüren des Forschungsinstituts auf und eilte über den äußeren Hof auf den Garten zu, wo die Party stattfand. Es würde ein milder und wunderschöner Sommerabend werden, der Central Garden war bekannt dafür, die perfekte Kulisse für solche Veranstaltungen abzugeben. Man gelangte auf einem von London-Platanen beschatteten Rundweg dorthin, der über einen plätschernden Bach führte. Der Garten beherbergte Hunderte unterschiedlicher Pflanzen und Blumen, von Lavendel bis Sonnenwinden, von Kreppmyrten bis üppig blühenden Rosen, und fiel stufenweise auf ein Rondell mit von Bougainvillea überwucherten Skulpturen und einem Zierbrunnen ab. Das Wasser glitzerte blau unter einem schwimmenden Schleier aus Azaleen.
Man hatte Tische aufgestellt, bedeckt mit golddurchwirkten Damasttüchern, und Kellner liefen mit Tabletts voll Champagner, Perrier, oder was immer gewünscht wurde, umher. Etwa zwei Duzend Gäste hatten sich bereits die Ausstellung im Museum angesehen. Jetzt genossen sie die kunstvoll arrangierten Horsd’œuvres, wobei einige immer noch das Programm umklammert hielten.
Die erste Person, die Beth entdeckte, war Mrs Cabot, eine ältere Frau, die nichts mit der Mode anfangen konnte, nach der Frauen sich unabhängig von ihrem Familienstand Ms nannten. Und sie sah nicht erfreut aus. Sie stand bei den Critchleys, einem in der Kunstszene von Los Angeles bekannten Paar. Beth schnappte sich ein Glas Champagner von einem der Tabletts und gesellte sich zu ihnen.
»Wir hatten gehofft, dass Sie kurz vorbeischauen würden«, sagte Mrs Cabot mit einem Lächeln, von dem nur Beth wusste, dass es nicht aufrichtig war.
»Tut mir leid«, murmelte Beth und nickte den Critchleys zur Begrüßung zu. »Ich war ganz in meine Arbeit versunken und habe darüber die Zeit vergessen.«
»Das passiert mir auch ständig«, sagte Mrs Critchley. Sie gehörte zu den Frauen, die immer etwas zerstreut waren, und in diesem Moment war Beth froh, dass sie hier war. »Einmal habe ich sogar meinen eigenen Geburtstagslunch vergessen, weil ich so beschäftigt damit war, den meiner Tochter zu planen.«
Mr Critchley, ein Gentleman der alten Schule in leichtem Leinenanzug, sah sie strahlend an. Er sagte niemals viel, aber Beth hatte immer das Gefühl, er würde der ganzen Welt Wohlwollen entgegenbringen.
»Die Los Angeles Times hat diese Mrs Rusoff geschickt«, raunte Mrs Cabot Beth zu, »und der Journalist von den Art News steht dort drüben, der mit Fliege.« Beth drehte sich suchend um. Bei Ereignissen wie diesem waren Fliegen nichts Ungewöhnliches. »Mit der roten«, sagte Mrs Cabot, als ahnte sie, was Beth als Nächstes fragen wollte.
»Gut. Ich werde auf
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