Königsallee
hat.«
»Danke.«
Reuter gab Marion das Handy zurück.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Hängt davon ab, wie Michael sich entscheidet.«
»Du willst, dass er in den Knast kommt, stimmt’s?«
»Wenn es nach mir ginge, ja.«
»Was hat er dir getan?«
»Mir? Darauf kommt es nicht an, Marion.«
»Du kannst ihn nicht leiden.«
»Er hat mich nach Strich und Faden hintergangen. Dich auch.«
»Ich weiß, Jan.«
»Und du liebst ihn dennoch?«
»Vermutlich ist es nur Gewohnheit. Und ich frage mich schon seit einiger Zeit, was mir diese Gewohnheit noch wert ist.«
Mir geht es mit Katja ähnlich, erkannte Reuter.
Marion hatte das Aquarium entdeckt, das im Halbdunkel leise brummte und gurgelte. Sie spähte durch die Scheibe. Die meisten Bewohner schliefen längst. Nur die Feuerfische jagten sich – es war ihre Zeit. Reuter musste an Frau Wüpperfürth denken, die ihm das Pärchen verkauft hatte.
»Faszinierend«, staunte Marion.
»Katja nennt es den gläsernen Sarg.«
»Geht es unter den Fischen friedlicher zu als bei uns?«
»Zumindest habe ich noch kein Verbrechen registriert.«
»Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal als Fisch auf die Welt kommen.« Ihr trauriges Lächeln zeigte, dass sie nicht ernsthaft an einen zweiten Versuch glaubte.
Reuter erkundigte sich: »Wirst du deinen Mann belasten, wenn die Sache vor Gericht geht? Ich meine, wirst du bezeugen, wo du das Geld gefunden hast und dass Michael dir verraten hat, wo es vergraben lag?«
Marion blickte ihn lange an. Ihr Handy klingelte.
Sie nahm das Gespräch an. Dann gab sie den Apparat an Reuter weiter.
Er hielt sich das Ding ans Ohr. »Ja?«
Engels Stimme, von ganz weit her: »Koch stellt sich. Morgen um zehn. Bereiten Sie alles vor, Reuter.«
»Okay.«
»Ihr Fang, Reuter. Gratulation.«
»Danke.« Noch haben wir das schwarze Schaf nicht im Sack, dachte er.
Der Kripochef hatte das Gespräch bereits beendet.
Marion sagte: »Weißt du was, Jan? Als ich das Geld fand, war mein erster Impuls, es zu behalten. Einfach damit abzuhauen.«
Reuter warf einen Blick auf die Tüte. »Das kann ich gut verstehen.«
»Was meinst du: Wird es einen Prozess gegen Michael geben?«
Reuter zuckte mit den Schultern.
Sie trat näher an ihn heran. »Was hat Michael über mich gesagt, als ihr vorhin miteinander telefoniert habt?«
»Er meinte, du hättest ihn verpfiffen.«
»Was noch?«
»Er wollte wissen, ob wir ein Verhältnis haben.«
Marion ließ ein bitteres Lachen hören. »Das sieht dem Kerl ähnlich.«
64.
Scholz starrte auf den schwarzen Kasten. Sein Anrufbeantworter war ein flaches, rechteckiges Teil mit vielen Knöpfen und lag im Kabelgewirr neben seinem privaten Schreibtisch wie in einem Nest. Die blinkende Digitalanzeige machte Scholz nervös.
Er drückte den Knopf, um die neue Nachricht abzuhören.
Warum rufen Sie nicht zurück? Ich will mich doch nur revanchieren. Sie sollten wissen, dass ich die Nachrichten aus der alten Heimat weiterhin mit Interesse verfolge und sehr bestürzt über den Tod eines ehemaligen Mitarbeiters bin.
Es folgte die gleiche lange Nummer wie gestern.
Scholz schrieb sie auf seine Handfläche.
Dann löschte er die Nachricht, rief per Handy den eigenen Anrufbeantworter an und sagte seinen Spruch in leichter Abwandlung: »Ich bin klein, mein Herz ist rein, meine Weste ist schmutzig, ist das nicht putzig?«
Als er den Quatsch abhörte, vernahm er Angst in seiner Stimme. Er drückte noch einmal den obersten Knopf. Wieder die Bestätigung durch die Computerstimme, die in dem flachen Kasten wohnte: Aufzeichnung wurde gelöscht – hoffentlich gründlich genug, dachte Scholz.
Er stand unmittelbar vor seiner Rehabilitierung. Kollege Koch war der Bösewicht, nicht er. Das Disziplinarverfahren würde eingestellt werden, die Strafversetzung rückgängig gemacht – so dicht vor dem Ziel durfte Koksbaron Böhr ihm nicht dazwischenfunken.
Scholz ging an den Kühlschrank und öffnete ein Bier. Im Fernsehen liefen Nachrichten. Die Moderatorin hatte den gleichen Vornamen wie seine Kollegin aus der Kriminalwache. Doch sie schaffte es nicht, ihn abzulenken.
Böhrs Worte: Bestürzt über den Tod eines ehemaligen Mitarbeiters. Er meinte Marthau, kein Zweifel.
Es ließ Scholz keine Ruhe. Ein großer Schluck, dann schaltete er die Glotze aus und griff nach dem Telefon.
Die Nummer aus seiner Handfläche.
»Ja, hallo?« Eine schnarrende Stimme aus einem anderen Land.
»Was wollen Sie von mir?«
»Herr Kommissar, sind Sie’s
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