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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Puls beschleunigte sich. Etwas war hier oberfaul. »Hatte er einen osteuropäischen Akzent?«
    »Ja.«
    »Ich komme raus zu dir, Marion. Lass niemanden ins Haus, den du nicht kennst!«
47.
    Auf Höhe des ehemaligen Luxushotels Breidenbacher Hof bog Marietta ab. Das gesamte Areal zwischen Heinrich-Heine-Allee und Königsallee umgab ein Holzzaun voller Werbetafeln. Dahinter gruben sich Baumaschinen in die Erde. Irgendwann würde es hier eine Tiefgarage geben und auf ihrer Decke ein neues Hotel. Der Verkehr wurde dichter, mindestens jeder zweite Fahrer auf der Suche nach einem Parkplatz.
    »Was schlägst du vor?«, fragte Marietta.
    »Taxistand.«
    Die Redaktionsbüros des Blitz befanden sich im zweiten Stock über einer Ladenpassage. Sie mussten klingeln. Ein Empfangsraum aus kaltem Marmor. Die Frau hinter dem Tresen wies den Weg und griff zum Telefon, um die Ankunft der Polizei zu melden.
    Den Flur schmückten großformatige Fotos. Im Vorbeigehen fielen Scholz karge Gebirgslandschaften auf, Kinder vor Lehmhütten, mit weißen Tüchern vermummte Männer, die Gewehre schwenkten. Hinter einer Glaswand ein Großraumbüro. Zum Büro des Chefredakteurs ging es geradeaus. Im Vorzimmer eine aufgebrezelte Platin-Blondierte. Wie ein Wachhund saß sie hinter ihrem Tisch.
    »Tolle Fotos«, sagte Scholz und deutete in den Flur.
    »Der Chef war 2003 in Afghanistan. Die Geschichte, die er damals mitgebracht hat, bescherte ihm diesen Posten, obwohl sie nie veröffentlicht worden ist.«
    »Ist er da?«
    »Nein. Worum geht es?«
    »Um einen Mitarbeiter Ihrer Zeitung und um einen Artikel, den er geschrieben hat.«
    »Lassen Sie mich raten. Sie meinen unseren ehemaligen Redaktionshospitanten Sven Mielke und ermitteln im Mordfall Henrike Andermatt.«
    Mielkes Namen hörte Scholz zum ersten Mal, trotzdem sagte er: »Richtig geraten. Kann es sein, dass der hellste Kopf in diesem Haus als Sekretärin arbeitet?«
    Ihre Stirn kräuselte sich. »Zeigen Sie mir bitte erst einmal Ihre Ausweise.«
    Scholz und seine Kollegin kamen der Aufforderung nach. Die Blondgefärbte schrieb ihre Namen auf und verglich die Fotos. Dann tippte sie etwas in ihre Tastatur und studierte die Anzeige des Flachbildschirms.
    »Auch unter unseren Hospitanten gibt es manchmal helle Köpfe«, sagte sie. »Sven war so einer. Leider brannten bei ihm die Sicherungen durch, als die FDP den Namen Andermatt als Regierungsmitglied ins Spiel brachte. Die Morgenpost feierte den Richter in einem langen Porträt und Sven bekam Lust, diesen rechtslastigen Typen abzuschießen. Ich habe ihm abgeraten, denn schmutzige Wäsche sollte privat bleiben. Aber Sven meinte, sein Artikel würde Alex Vogel gefallen. Im Prinzip hatte er damit recht, aber er hatte im Eifer des Gefechts vergessen, dass Vogel und Andermatt Parteifreunde sind. Der Schuss ging gründlich nach hinten los.«
    »Alex Vogel ist …«
    »Unser Chefredakteur. Seien Sie froh, dass er nicht da ist. Er pflegt mit Kirschkernen um sich zu spucken. Am liebsten ins Dekolleté seiner Mitarbeiterinnen.«
    »Wie halten Sie das aus?«, fragte Marietta.
    Die Sekretärin tippte Befehle. Ein Drucker begann zu rattern. »Gar nicht. Am Monatsende ist hier Schluss für mich. Glauben Sie, ich würde sonst so offen mit Ihnen reden? Endlich habe ich eine Redakteursstelle ergattern können. Natürlich bei der Konkurrenz.«
    Sie griff nach dem Papier, das der Drucker ausgespuckt hatte, und überreichte es Marietta. »Das ist der besagte Artikel, den es offiziell nicht einmal im sogenannten Giftschrank gibt. Und das hier ist Svens Adresse. Richten Sie ihm aus, dass ich ihn zur Morgenpost nachhole, sobald ich dort etwas zu melden habe. Und sagen Sie Ihrem Kollegen, dass er an seinen Komplimenten noch etwas feilen sollte.«
    Marietta bedankte sich – nicht ohne hämischen Seitenblick auf Scholz.
    »Und noch etwas«, sagte die Redakteurin in spe.
    »Ja?«
    »Gestern flatterte ein anonymer Brief ins Haus, in dem es ebenfalls um die Andermatts ging. Auch darin wird die Tochter als alkohol-und kokainabhängiges Flittchen bezeichnet, das jedem Kerl nachstieg.«
    »Können wir den Brief sehen?«
    »Tut mir leid. Mein Chef hat ihn eingesteckt und bespricht ihn gerade mit dem Herausgeber der Zeitung.«
    »Ein weiterer Fall für den Giftschrank.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Seit Henrike tot ist und ihr Vater ins Kabinett wechseln will, verspricht eine solche Enthüllung Verkaufszahlen, die auch die beste Parteifreundschaft nicht aufwiegen kann.

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