Koenigsmoerder
etwas... Unkluges... zu tun. Ihr werdet hier im Turm bleiben. In aller Abgeschiedenheit. Zurückgezogen aus dem öffentlichen Leben, nachdem der Verlust Eurer Familie und Eurer Magie Eure Gesundheit auf beklagenswerte Weise zerstört hat. Das und der Verrat eines Mannes, dem Ihr törichterweise vertraut habt.«
»Das Volk...«
»Wird Euch nicht lange vermissen. Die Doranen haben Eure 264
Existenz vor Eurer irrtümlichen Erhebung auf den Thron kaum wahrgenommen.
Und was die Olken betrifft...« Ein weiteres geringschätziges Achselzucken. »Die waren ohnehin nie wirkliche Menschen.«
Gar drückte sich eine Faust aufs Herz. In ihm war ein so schrecklicher, so tiefer Schmerz, dass er glaubte, daran zu sterben. Er wünschte, er hätte es gekonnt.
Asher töten... oder all seine unschuldigen Brüder und Schwestern Lurs zu töten.
Wie immer er sich entschied, er würde für alle Ewigkeit mit Blut befleckt sein.
O süße Barl, vergib mir...
»Dann bringt mir Eure Proklamation«, sagte er und konnte seine eigene Stimme kaum erkennen. »Ich werde sie unterzeichnen. Und möge Barl Euch verfluchen, Conroyd, in diesem Leben und im nächsten.«
Nach einer schlaflosen Nacht erhob Dathne sich mit der Sonne, wusch sich, kleidete sich an und verzehrte halbherzig ihr Frühstück, bevor sie nach unten in die Buchhandlung ging. Das Abstauben von Regalen war ein stumpfsinniges Gegenmittel gegen Sorgen, außerdem musste es ohnehin getan werden. Die junge Poppy, die sie als Aushilfe eingestellt hatte, war perfekt im Umgang mit Kunden, schien jedoch eine Allergie gegen jedwede Säuberungsarbeiten zu haben.
Bücher hatten etwas Besänftigendes. Selbst der neueste Liebesroman von Gertsik beruhigte ihre aufgewühlten Nerven und entlockte ihr ein Lächeln. Sicher aufgehoben zwischen ihren stummen Regalen, konnte sie so tun, als lebte sie noch immer ihr altes Leben, schlenderte im Laden umher und versuchte, sich nicht an die Berührung von Schneeflocken auf ihrer Haut zu erinnern.
Aber die Erinnerung ließ sich nicht leugnen.
Asher hat es schneien lassen!
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Ihre Hände zitterten, und sie ließ ihr Staubtuch fallen. Sie hätte sich niemals erträumen lassen, dass seine Macht sich auf diese Weise zeigen würde.
Wettermagie war doranische Magie. Sie hatte noch nie von einem Olken gehört, der sich ihrer bedienen konnte.
»Närrin«, tadelte sie sich grimmig und hob das Staubtuch wieder auf. »Er ist der Unschuldige Magier und geboren aus der Prophezeiung. Was hast du gedacht, dass er sei? Ein Olk wie alle anderen auch? Oh, Asher, Asher. Wenn du dich mir doch nur anvertraut hättest!«
Das Versagen lastete schwer auf ihr. Sie war sich so sicher gewesen, dass sein Geist gewiss folgen würde, wenn sie nur seinen Körper verführte.
Sie war nicht daran gewöhnt, sich zu irren.
»Ich bin Jervales Erbin«, flüsterte sie einem Regal voller Geschichtsbände zu. »Es ist meine Aufgabe, Recht zu haben.«
Offenkundig war die Zeit gekommen, ihn einzuweihen. Ihn irgendwo in Sicherheit zu bringen und ihm sein wahres Wesen zu enthüllen. Ihm sein Schicksal und seinen Daseinszweck preiszugeben. Veira würde wissen, wo man ihn am besten verstecken konnte, was bedeutete, dass sie es nicht länger hinauszögern konnte, mit der alten Frau zu reden. Und wenn ihr das einen Tadel für ihr Schweigen eintrug, dann sollte es so sein.
Nachdem sie endlich zu einem Entschluss gekommen war, warf Dathne das Staubtuch beiseite, wandte sich der Tür zu, die zurück in ihre Wohnung führte ‐
und erschrak, als ein drängendes Klopfen am Fenster der Buchhandlung erklang.
Es war die junge Finella, Frau Tuttles Lehrling, und sie war auf dem Weg zur Arbeit in der Bäckerei. Die Augen der jungen Frau in ihrem blassen Gesicht schienen schier aus den Höhlen zu treten. Sie bedeutete ihr, ihr um die Ecke zu folgen, dann war sie auch schon verschwunden.
Stirnrunzelnd schloss Dathne die Hintertür des Ladens auf und schlüpfte in den winzigen Hof hinaus. »Ja, Finny?«
Das Mädchen war den Tränen nah. »Oh, Fräulein Dathne, ich habe Euch im Vorbeigehen dort drin gesehen und ich dachte, ich sollte es Euch vielleicht erzählen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ich will keinen Ärger, aber Ihr arbeitet mit ihm zusam
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men, Ihr seid mit ihm befreundet, und Ihr wart immer so gut zu mir...«
Asher. Dathne kämpfte den Drang, das elende Kind zu schütteln, nieder und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist schon gut, Finny. Hol tief Luft und erzähl mir,
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