Koenigsmoerder
I. zu übertragen. Und sollte irgendjemand hier mit dem Gedanken spielen, seine Thronbesteigung infrage zu stellen, seid gewarnt. Es ist mein Recht und meine Pflicht, einen Erben zu benennen, und das habe ich getan.
Eine zweite Spaltung wird allen schaden und niemandem helfen. Wenn Ihr mich wahrhaft liebt, gebt Euch mit meiner Entscheidung zufrieden ‐ und Barls Barmherzigkeit sei mit uns allen.«
Weiteres Gesumm. Tränen und Bestürzung.
»Und zuletzt«, fuhr der ehemalige König mit erhobener Stimme fort, um das Getöse zu übertönen, »möchte ich mich zu meinem Tribun für Olkische Angelegenheiten äußern.«
Und Stille fiel herab wie die Klinge einer Axt.
»Wie viele von Euch zweifellos wissen, wurde Asher wegen Verbrechen gegen Barl und dieses Königreich unter Arrest gestellt und wird schon bald den vollen Preis dafür zahlen. Ich brauche wohl nicht zu sagen, wie groß meine Trauer ist.
Eines jedoch will ich sagen: Ganz gleich, wie grauenhaft sie sein mögen, die Taten eines einzigen Olken dürfen niemals allen anderen zur Last gelegt wer‐den.
Täte man dies, beginge man eine ungeheuerliche Ungerechtigkeit und würde gegen Barls Absichten in diesem Land verstoßen. Hütet Euch vor Rache und Vergeltung, hütet Euch davor, weil Ihr den Preis dafür mit Euren Seelen bezahlen würdet. Ich weiß, dass König Conroyd es tun wird.«
Ein Raunen lief durch die Reihen der Olken im Saal. Der Krüppel hatte jetzt Tränen in den Augen, und sie rannen über seine Wangen. Seine Hände zitterten auf dem Sprecherpult.
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»Ich hoffe, Ihr wisst, wie sehr ich Euch geliebt habe«, fügte er mit brechender Stimme hinzu. »Bitte, glaubt mir, dass meine heutigen Taten dieser echten Hingabe entspringen. Ich würde lieber sterben, als zuzulassen, dass Ihr und die Euren durch mich Schaden nehmt. Barl segne Euch alle und leite König Conroyd zu Weisheit und Barmherzigkeit.«
Einer der Olken sprang auf. »Barls Segen sei mit Euch, Herr! Barls Segen sei mit unserem Prinzen Gar!«
Sofort fielen sie alle in die Segenswünsche ein, Olken wie Doranen gleichermaßen. Morg beobachtete erheitert, wie alle Mitglieder des Rats auf ihre teuer bekleideten Füße sprangen und Gar zujubelten, während dieser auf den Ausgang der Halle zuging. Holze, der neben ihm saß, bemerkte widerstrebend:
»Nun. Das hat er recht annehmbar geregelt.«
Er tätschelte den Arm des Geistlichen. »Lieber Efrim. Denkt Ihr das wirklich?«
Mit diesen Worten ließ er den Narren zurück, stieg auf den Boden des Saals hinunter und trat neben den großen Doppeltüren vor den Krüppel hin. »Dünnes Eis, Kümmerling«, murmelte er. »Sehr dünnes Eis.«
»Es freut mich, dass Ihr erkennt, in welcher Gefahr Ihr schwebt, Conroyd«, erwiderte der Krüppel. »Ihr seid Historiker, Herr? Wenn nicht, schlage ich vor, dass Ihr nach einem Buch greift. Die Vergangenheit ist bevölkert mit unklugen Personen, die vergessen haben, dass brutale Gewalt zu nichts anderem als zu Niederlagen führt. Dabei fällt mir spontan der Name >Morg< ein.«
Verblüfft beäugte er den Kümmerling genauer. »Und was wisst Ihr über Morg, Krüppel?«
Gar zuckte die Achseln. »Nur das, was jede halbwegs gebildete Person weiß.
Dass er ein kleiner Mann war, der versucht hat, sich mit Gewalt größer zu machen ‐ und gescheitert ist. Ich hoffe um Euretwillen, dass Ihr aus seinem Beispiel lernt.«
Er lachte. Lachte, bis Tränen in seinen geborgten Augen brannten, dann klopfte er Gar scharf auf die Wange. »Die Kutsche wartet. Kehrt in Euren Turm zurück, Junge. Wenn ich Euch noch einmal benötige, werde ich einen Lakaien schicken.
Und sorgt dafür, dass Ihr die Bedingungen Eurer Freiheit nicht vergesst. Trotzt mir,
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und ich werde Wachen an all Eure Türen stellen und jene, die Euch zu helfen trachten, schwer bestrafen.«
Der Krüppel starrte ihn für einen langen Moment an. Dann drehte er sich um und ging. Morg sah ihm, immer noch ungemein erheitert, nach, dann vergaß er ihn. Schwelgte stattdessen in der Musik von Gehorsam und Jubel, die sich zu den fernen Dachsparren der Halle erhob.
»Heil unserem König Conroyd! Heil König Conroyd! Barl segne unseren König Conroyd, Wettermacher von Lur!«
Ihre verzweifelte Freude über seine Thronbesteigung umfloss ihn bis hinauf auf das Podest, von dem der Krüppel soeben zum letzten Mal abgetreten war.
Während er auf ihre eifrigen Rufe lauschte, empfand er nichts als Geringschätzung. Sie waren allesamt Vieh, diese Bauern und ihre Lords.
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