Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
machen, schwarzen Samt trage sie der Trauer wegen.
Doch den schwarzen Samt, eine Provokation, ihn als junge, unverheiratete Dame zu tragen, wählte Antonia aus genau diesem Grund. Die Machart der Robe war ebenfalls nicht gerade die eines Trauergewandes. Maddy ließ sie freie Hand, was ihre Frisur und ihr Gesicht anbelangte. Als sie das Brillantcollier anlegte und sich in dem hohen Spiegel betrachtete, sah ihr eine majestätische Gestalt entgegen. Der üppige Faltenwurf des Kleides verdeckte ihren gewölbten Leib, und die Künste ihrer Zofe ließen ihre Augen strahlen und ihre Lippen glänzen.
Aber auch Elena, in silbergrauer Seide, sah elegant und ätherisch schön aus, an ihrem Hals schimmerten drei Reihen rosiger Perlen, und perlenbesetzte Kämme hielten ihre Locken. Sie warteten beide im Salon auf Cornelius, der sie begleiten wollte, als Isabetta hereinrauschte. In blutrotem Taft, ein Halsband aus schwarzem Gagat auf dem wogenden Dekolleté. Ihre Augen allerdings wurden rund, als sie den Schmuck ihrer Gastgeberinnen bemerkte.
Cornelius’ Augen wurden schmal, als er die drei Grazien sah. »Toni, das ist skandalös!«
»Ja, nicht wahr?«
Er ging auf sie zu und hob ihre Hand an die Lippen. »Aber hinreißend. Was hast du vor?«
Sie wiederholte es noch einmal: »Ein Lazarett gründen!«
In den festlich beleuchteten Räumen des Bankiers Schaaffhausen hatte sich die gute Gesellschaft Kölns versammelt. Antonia erntete missbilligende, Isabetta neugierige und Elena bewundernde Blicke, doch niemand sprach in ihrer Gegenwart aus, was die Gemüter so heftig bewegte. Bevor die musikalischen Darbietungen begannen, plauderten die Damen ungezwungen, Isabetta sogar mit einer gewissen Koketterie. Dann trat ein Musiker an den Flügel und bot eine ansprechende Leistung, die allenthalben mit Beifall aufgenommen wurde. Die Dame, die sich danach zu ihm gesellte, trug mit schöner Altstimme eine Ballade vor, doch anschließend nahm eine Matrone an dem Instrument Platz, die wie ein Streitross durch ein Nocturne stampfte.
Dann kam der Moment, in dem ein in unschuldiges Weiß gekleidetes junges Mädchen mit einem Rosenkranz auf den braunen Locken ein Gedicht deklamierte. Mit atemloser, hoher Stimme hub sie an:
»Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte.
Drum gab er Säbel, Schwerdt und Spieß
Dem Mann in seine Rechte...«
»Ach ja, der Gott der Eisen wachseln ließ?«, flüsterte Antonia. »Der ist es jetzt?«
»Psst!«
Glühenden Auges und das Herz überquellend von brennender Vaterlandsliebe deklamierte das Mädchen mit immer lauterer, sich beinahe überschlagender Stimme Verse von Rache und Schlachten, von gespaltenen Schädeln, brausenden Flammen und süßem Heldentod. Tosender Beifall belohnte diesen Vortrag, aber Antonia erhob sich, noch bevor die letzte Hand zum Schweigen kam, und trat auf das Podium. Erstauntes Geraune begleitete sie, doch in Erwartung eines überraschenden Beitrags verstummte man.
»Ein schönes Gedicht, meine Damen und Herren. Es macht Lust aufzustehen, zu den Waffen zu greifen und gegen die Tyrannen zu kämpfen. Wie es so aussieht, sterben dabei auch nur die Tyrannen in der Schlacht, nicht wahr?
Es murrte leise, aber sie ließ sich nicht beirren.
»Leipzig war ein großer Sieg für das eben zitierte heilige Vaterland, hören wir. Die Majestäten versammelten sich nach der Schlacht, um in einem gemeinsamen Choral zu verkünden, dass sie die Macht der Liebe anbeten. So schrieb mir mein Bruder, der auf Seiten der Preußen an diesem Entscheidungskampf teilgenommen hat.«
Beifall prasselte auf.
»Die Macht der Liebe, meine Damen und Herren, beten sie an. Während auf den Feldern vor der Stadt die Opfer ihrer liebreichen Taten ruhen. Wir mögen sie beweinen, obgleich ihr Schicksal gnädig ist.« Sie fuhr mit kalter, scharfer Stimme fort: »Nicht gnädig ist das Schicksal mit jenen, die mit zerschossenen Gliedern, zerfetzten Gedärmen, herausgerissenen Augen, zertrümmerten Knochen auf dem Blutacker liegen, deren Schmerzensschreie und Hilferufe keiner hört, die ohne Wasser, ohne Decken, ohne sorgende Hand über Nacht liegen gelassen werden, um qualvoll zu verrecken.«
Ein Aufschrei des Entsetzens erhob sich. Ein Herr im ordengeschmückten Frack trat vor, um Antonia von dem Podium zu holen. Sie schüttelte seine Hand ab, und eine brüchige Stimme fuhr ihn mit durchdringender Schärfe an: »Lass sie reden, Eberhard!«
»Ja, lassen Sie mich reden, meine Damen und Herren. Denn
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