Krieg der Drachen - Roman
bevor er sie mit Hilfe des Patronenpapiers festklemmte.
Die Probleme begannen nach dem Einsetzen der Kugel, als es darum ging, den Mechanismus zurück in den Lauf zu bringen. Die Kugel fiel entweder heraus oder verklemmte sich. Der wütende Riese wirkte drauf und dran, das Gewehr über dem Knie zu zerbrechen. »Ihr habt gut lachen, Nathaniel. Ihr seid schon Jahre mit einem von denen zugange, und Ihr habt auch keine dicken Daumen.«
»Zweierlei müsst Ihr dabei bedenken, Friedensreich. Erst mal, Ihr braucht nicht so zu hetzen. Mit dem Gewehr hier erledigt
Ihr ein Ziel, wenn’s noch weit weg ist. Es kann Euch nich’ kriegen.«
Friedensreich nickte. »Da habt Ihr Recht.«
»Und zweitens, wenn Euer Daumen zu dick ist, dann nehmt halt den kleinen Finger.«
Der riesige Kerl lachte. »Der is’ immer noch dicker als Euer Daumen.«
»Aber er is’ dünn genug, dass er die Kugel nich’ so leicht weg drückt.« Nathaniel nickte ihm zu. »Nu macht mal hin und ladet das Ding, damit die Halbstarken seh’n, wie ein echter Mann schießt.«
Die Nachricht, dass der berühmte Major Forst mit seinen Südkolonie-Scharfschützen aus Feenlee unterwegs war, hatte jeden jungen Mann, der eine Büchse halten konnte, heraus nach Harfners Feld gelockt. Harfner hatte Klee gesät und das Feld ein Jahr brach liegen lassen, und die Jungs hatten die Kühe verscheucht und Ziele aufgestellt. Die meisten bestanden aus einem Holzpfosten mit Querstange und darauf platzierten Muschelschalen als Zielen. Die Chance, dass einer von ihnen eine davon traf und sie unter dem Einschlag der Kugel auseinanderflog, war gering, aber wenn es einmal jemand schaffte, wurde das lautstark gefeiert.
Friedensreich war herausgekommen, um sein neues Gewehr auszuprobieren. Nathaniel und Kamiskwa waren hier, um zuzusehen. Mit dem Gewehr war Friedensreich einer der besten Schützen auf dem Feld. Er traf regelmäßig auf achtzig Schritt den Pfosten. Die anderen hatten nur Musketen mit glattem Lauf. Sie schafften es zwar, eine Kugel über die Distanz zu schicken, aber die wenigsten landeten im Ziel.
Das änderte nichts daran, dass die Burschen aus der Stadt eine Menge Spaß hatten. Caleb Frost stand mitten unter ihnen und
bellte fröhlich Befehle. Neun seiner Akademiefreunde hatten sich zu einem Trupp formiert, luden gemeinsam nach und schossen auf Befehl. Calebs Stimme hatte etwas Beruhigendes. Seine Männer schafften konstant drei Schuss in der Minute und zeigten einander lachend ihre Daumennägel, unter denen der violette Blutfleck immer größer wurde.
Kamiskwa trat neben Nathaniel. »Es sind junge Männer, noch keine Krieger.«
»Schätze ja. Wird sie aber nicht retten.«
Friedensreich feuerte und zerschmetterte eine Muschel auf vierzig Schritt. Er drehte sich um und lud nach. »Es werden nur eine Handvoll von ihnen in ’nen Kampf ziehen. Ich hab über Winter meine Brüder gesehen. Drang und Rechtens wollen uns begleiten.«
Nathaniel nickte. Als sich die Nachricht von der Anwesenheit der tharyngischen Truppen über das Land verbreitete, hatte sie so manchen veranlasst, eine Entscheidung zu fällen, wie er damit umgehen sollte. Generell gab es drei Arten von Reaktion. Zum einen gab es die Studenten, die im Krieg eine Chance sahen, Ruhm zu ernten. Eine Untergruppe, zu denen Caleb Frost zählte, betrachtete den kommenden Krieg als Chance, den Ruf der mystrianischen Soldaten zu retten.
Ein dümmeres Vorhaben hätte Nathaniel sich nicht vorstellen können, selbst wenn er es gewollt hätte.
Als Nächstes kamen die Bein-Brüder, die eine ryngische Festung im Westen als Zeichen für weitere Einschränkungen und eine Bedrohung ihres Lebensunterhalts sahen. Die Festung würde ohne Zweifel zu einem Handelszentrum für die Ryngen werden. Ryngische Jäger und Fallensteller würden in rauen Mengen in das Gebiet kommen. Die Ungarakii würden frecher werden und mehr Überfälle auf die Mystrianer und die Altashie wagen.
Die letzte Gruppe, zu der die Astwerks, Fassdaubes und andere am Nordrand von Harfners Feld zählten, wollte Geld machen. Sie würden sich für den Sold als Soldaten verdingen. Nicht, dass Nathaniel den Schilling der Königin abgelehnt hätte, aber er verstand die Gefahr und die Notwendigkeit zu handeln, so dass er nicht desertieren würde, wenn es zu oft regnete oder die Rationen zu klein waren. Das Verflixte daran war, Rufus Astwerk und seine Brüder würden eine echte Verstärkung für die örtliche Miliz darstellen. Sie waren harte Kämpfer und
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