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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Festungen bauten und mit der einheimischen Bevölkerung so viele Geschäfte aushandelten, wie sie konnten. »Ihr habt drei Dinge, die wir brauchen«, erklärte ein afrikanischer Stammesführer angeblich einem europäischen Kaufmann: »Pulver, Musketen und Kugeln. Und wir haben drei Dinge, die ihr braucht: Männer,Frauen und Kinder.« 34 Auf dieser Basis kauften die Europäer zwischen 1500 und 1800 Krieg führenden afrikanischen Stammesoberhäuptern etwa zwölf Millionen Menschen ab und verschleppten sie über den Atlantik.
    In Asien war Europas Position anfangs noch schlechter. Hier verschafften Krankheiten den Europäern keinen Vorteil: Eurasiens Erregerpool hatte sich seit dem Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert weitgehend vermischt und ein Gleichgewicht geschaffen, das sich allenfalls gegen die Europäer auswirkte, da sie in den Tropen anfällig für Malaria blieben.
    Die enormen Entfernungen zwischen Europa und Asien – 13   000 Kilometer von Lissabon nach Kalikut, weitere 3000 Kilometer bis Malakka und weitere 3000 Kilometer bis Guangzhou (Kanton) – waren schwer zu überwinden. Niederländische Seefahrer fanden 1611 eine Abkürzung (sie verkürzten die Fahrt nach Südostasien, indem sie in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung die Westwinddrift nutzten, die sie nahezu bis nach Australien brachte, bevor sie nach Norden segelten). Aber noch 1620 standen lediglich etwa 20   000 Europäer annähernd zweihundert Millionen Asiaten um den Indischen Ozean und weiteren hundert Millionen in China gegenüber.
    Die Asiaten konnten die Ankunft europäischer Schiffe nicht verhindern, aber bis weit ins 17. Jahrhundert wollten sie das auch gar nicht. Der Sultan von Gujarat war der Ansicht: »Seekriege sind Sache der Kaufleute und für das Ansehen von Königen ohne Belang.« 35 Damit lag er gar nicht so falsch. Portugiesische Karacken konnten für kleine Stadtstaaten wie Malakka existentiell bedrohlich werden, aber für die Türkei, Persien, Indien, China und Japan waren sie eher ärgerlich als gefährlich. Europäer fielen in dieselbe Kategorie wie Piraten: Beide Arten von Schmarotzern verringerten die Staatseinnahmen, indem sie Menschen in den Küstenstädten töteten, aber so lange sie sich in Grenzen hielten, war es billiger, sie zu ignorieren, als sie zu bekämpfen. Es konnte sogar Vorteile haben, sie zu hofieren, besonders wenn ein Herrscher Feuerwaffen kaufen musste.
    Am Indischen Ozean bildete sich eine Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten heraus. Die großen Imperien dominierten weiterhin ihre enormen Binnenmärkte, aber an den Rändern drangen Europäer ein und machten sich gegenseitig Anteile am einträglichen internationalen Handel streitig, so lange diese Reiche sie ignorierten.
    Für Portugal verlief der Konkurrenzkampf nicht gut. Seit da Gamas Zeiten hatte die Krone Kaufleute an der kurzen Leine gehalten, und Handelskartelle, die Ostindienkompanien, wie sie London (1600), Amsterdam(1602) und Paris (1674) gründeten, gab es in Lissabon so gut wie gar nicht. Theoretisch und häufig auch praktisch trugen diese privaten Ostindienkompanien sämtliche Kosten der Geschäfte im Indischen Ozean. Der Generalgouverneur der Niederländischen Ostindienkompanie führte 1614 in einem Schreiben an seine Direktoren aus: »Die Herren müssten eigentlich wissen, dass der Handel in Asien unter dem Schutz und mit Hilfe Ihrer eigenen Waffen betrieben und aufrechterhalten werden sollte und dass diese Waffen mit den Gewinnen aus dem Handel beschafft werden müssen. Also kann ohne Krieg kein Handel und ohne Handel kein Krieg geführt werden.« 36
    Mit diesem Geschäftsmodell konnte der überforderte portugiesische Staat einfach nicht konkurrieren. Bis zu den 1650er Jahren nahmen die Niederländer ihm seine Stützpunkte in Malakka und Sri Lanka ab. Sobald die Portugiesen effektiv ausgeschaltet waren, wandten die Holländer sich gegen die Engländer, »weil nämlich der Welthandel insgesamt zu klein sei für zwei Nationen, so dass eine unweigerlich weichen muss«, wie ein englischer Seefahrer erklärte. 37 Zwischen 1652 und 1674 perfektionierten die Flotten beider Länder in einer Reihe zermürbender Kriege die neue Taktik der Kiellinienformation. In nicht geringem Maße war es Pepys’ Arbeit in der Admiralität zu verdanken, dass England nach und nach die Oberhand gewann. Aber mittlerweile hatte sich Frankreich zu einem neuen Rivalen gemausert.
    Trotz der Dramatik dieser Kriege schenkten die Sultane, Schahs und Kaiser in Istanbul,

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