Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
sie sich über Turnberrys Grenzen hinausgewagt hatte, hatten nicht dazu beigetragen, diesen Eindruck zu ändern. Als sie einmal einen Ausritt in die nahen Wälder unternommen hatte, um ihr Pferd zu bewegen, hatte sie eine alte Frau mit verfilztem weißem Haar gesehen, die zwischen den Bäumen stand und sie anstarrte. Ein Kind mit bösen Brandnarben im Gesicht hielt sich an ihrer Seite. Als sie ihr Pferd gewendet hatte, um das seltsame Paar zu begrüßen, war es nirgendwo mehr zu entdecken gewesen. Immer wenn sie jetzt an diese Begegnung zurückdachte, fragte sie sich, ob es sich um Geister gehandelt hatte.
Robert hatte sie kurz nach dem Fall Stirlings nach Turnberry gebracht, war aber nur lange genug geblieben, um die bereits ausgeführten Reparaturarbeiten an der Burg zu besichtigen. Er sagte ihr, er würde sich auf Geheiß des Königs mit John Comyn treffen, um einen neuen schottischen Rat ins Leben zu rufen, aber Elizabeth wusste, dass er ihr etwas verschwieg. Seit sie das englische Lager verlassen hatten, hatte sie eine Veränderung in ihrem Mann gespürt. Er war noch wortkarger und in sich gekehrter geworden, empfing mitten in der Nacht Boten, schickte seinen Knappen Nes auf irgendwelche geheimnisvollen Botengänge und besprach sich hinter verschlossenen Türen mit Männern, die sie nicht kannte.
In Dunfermline hatte Elizabeth gedacht, er hätte begonnen, ihre Niedergeschlagenheit zu bemerken, denn nach seiner Rückkehr von dem fehlgeschlagenen Überfall im Wald hatte er eingewilligt, eine Gouvernante für Marjorie einzustellen. Emma, die Frau von einem von Sir Humphreys Knappen, war eine warmherzige, matronenhafte Frau, sanft und energisch zugleich, die die Erziehung des Mädchens sofort in die Hand genommen hatte. In den letzten Monaten war Marjorie wesentlich leichter zu lenken gewesen. Obwohl dies eine Erleichterung darstellte, begann Elizabeth, die plötzliche Leere in ihren Tagen mit dem wachsenden Wunsch nach einem eigenen Kind auszufüllen.
Sie wandte sich vom Fenster ab, ging zum Bett und setzte sich auf die Kante. Die Kammer war erst kürzlich gestrichen worden, um die Rauchschäden zu beseitigen, und der beißende Geruch nach Tünche verursachte ihr Kopfschmerzen. Sie massierte ihre Schläfen mit den Fingerspitzen und dachte an Bess, die bald ihr Kind bekommen musste, wenn sie es nicht schon hatte. Sie vermisste die Freundin. Die Einsamkeit in ihrem Inneren schwoll an und verdrängte alles andere, bis sie sich wie eine bis auf das Dröhnen des Meeres hohle Schale fühlte.
»Warum weinst du?«
Elizabeth blickte auf und wischte sich hastig über die Augen, als sie Marjorie auf der Schwelle stehen sah. »Hast du keinen Unterricht?«
»Ich habe gelernt, einen ganzen Psalm zu lesen. Mistress Emma hat gesagt, ich kann bis zum Mittagessen spielen.« Marjorie blieb noch einen Moment unschlüssig an der Tür stehen, dann kam sie in die Schlafkammer.
Elizabeth sah, dass sie die Puppe, die ihr Vater ihr damals in Writtle geschenkt hatte, in der Hand hielt. Sie wirkte abgegriffen und schmuddelig, ein schwarzes Perlenauge fehlte.
»Ich habe sie ganz unten in meiner Truhe gefunden.« Marjorie streichelte einen der Zöpfe der Puppe. Der andere hatte sich gelöst, die Wollfäden waren verheddert. »Ich dachte, ich hätte sie verloren. Erinnerst du dich?«
Sich erinnern? Das Mädchen hatte fünf Tage lang ununterbrochen gejammert. Elizabeth unterdrückte ein Lächeln. »Aber ja.«
Marjorie hielt ihr die Puppe hin. »Hilfst du mir? Ich kann keinen Zopf flechten.«
»Ich?« Es gelang Elizabeth nicht, ihre Überraschung zu verbergen. »Kann Judith das nicht tun?«
»Sie ist eingeschlafen.« Marjorie kletterte auf das Bett.
Als Elizabeth die Puppe nahm und das Wollhaar mit den Fingern kämmte, um die verfilzten Knoten zu lösen, rückte Marjorie näher und sah ihr aufmerksam zu.
Plötzlich streckte das Mädchen eine Hand aus und berührte den Ring an Elizabeths Finger. »Er ist so schön.«
Elizabeth zuckte zusammen, als Marjories Hand über ihre strich. Haut zu spüren – menschlichen Kontakt – versetzte ihr einen Schock. Sie hielt still, die Puppe war vergessen, als Marjorie den Ring hin und her drehte und die Art bewunderte, wie sich das Licht in dem Rubin fing.
»Mistress Emma hat auch einen Ring. Aber keinen so hübschen.« Marjorie runzelte die Stirn. »Warum tragen Ladys ihn an diesem Finger?«
»Weil dort eine Ader verläuft, die zum Herzen führt.« Nach einem Moment legte Elizabeth dem
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