Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Speyer auch den sich lange sträubenden Staufer Konrad III. und eine Menge anderer Großer zu überreden. Eine Massenpsychose brach aus. Weder in unseren Tagen, behauptet Helmold von Bosau, noch seit Anbeginn der Zeit sei je ein solcher Heerbann zusammengekommen, »ein Heer, sage ich, unermeßlich groß!« – Natürlich machten die christlichen Chronisten gern solche Sprüche.
Auch dieser Kreuzzug, zu dem der deutsche und französische König im Frühsommer 1147 jeweils etwa 70000 Mann führten, begann mit vielen Judenabschlachtungen am Rhein, wo der Zisterzienser Radulf, ein beim Volk »in höchster Gunst« stehender Ordensbruder des Abtes, gegen sie lärmte und hetzte. Der Heilige seinerseits verbot zwar das Töten von Juden, forderte jedoch ihr Vertreiben mit der Bibel, mit dem 59. Psalm, wo Gott von den Feinden offenbare: »Tötet sie nicht!«, aber: »Zerstreue sie mit deiner Macht.« Nein, nicht getötet, nur verjagt und immerfort geschunden wollte der große Kirchenlehrer sie sehen. »Sie sind uns ja ein lebendiges Zeugnis und führen uns die Passion des Herrn immerwährend vor Augen.« Otto von Freising konstatierte seinerzeit ein »bestialisches Gemetzel«, und König Konrad schuf ein Asyl für Juden u.a. in Nürnberg.
Die Kreuzfahrer hatten von Kaiser Manuel I. Komnenos freies Geleit und freien Markt für die Dauer des Durchzugs durch sein Reich erbeten. »Der war zwar sehr erschrocken«, berichtet der Pfarrer von Bosau. Doch die christlichen Brüder beruhigten ihn, hatten sie die freiwillige »Pilgerfahrt« ja nur auf sich genommen, »um das Reich des (Gottes)friedens weiter auszudehnen«. Und zur Ausdehnung ebendieses Gottesfriedens stahlen, plünderten, verheerten und mordeten die Kreuzritter schon im christlichen Osten.
Der byzantinische Kaiser ließ somit die Versorgung der marodierenden Glaubensbrüder sabotieren, ihr Vorgehen an die Türken, die Rum-Seldschuken, verraten oder die Eindringlinge auch von eigenen Truppen in Hinterhalten, Engpässen und anderen geeigneten Plätzen abstechen. Auch setzte er Falschgeld gegen die Abendländer ein. Kurz, gesteht der byzantinische Geschichtsschreiber Niketas Choniates, »es gab nichts Schlimmes, das der Kaiser nicht gegen sie ersonnen und die anderen hätte ausführen lassen, damit dies auch für die Nachkommen der Kreuzfahrer ewige Denkzettel und Anlässe zur Furcht seien, die sie von einem Zug gegen das Rhomäerreich abhalten sollten«. Bei Philippopel kam es zu mörderischen Kämpfen zwischen deutschen und griechischen Christen. Ja, bei Adrianopel ließ Herzog Friedrich III. von Schwaben, der spätere Kaiser Barbarossa, um den Raubmord an einem adligen Nachzügler zu rächen, ein ganzes Kloster verbrennen und mit all seinen Bewohnern über die Klinge springen – »ein mittelalterliches Lidice übelster deutscher Tradition« (Wollschläger).
Natürlich kam es immer wieder zu Streitereien auch zwischen den Kreuzzüglern selbst, zum Beispiel mit den Franzosen. »Die Deutschen waren unerträglich, selbst für uns«, schreibt der Mönch Odo von Deuil, Sekretär und Kapellan des französischen Königs auf dem Kreuzzug. 28
Ende September überquerte das deutsche Heer – in dem es auch schon zu heftigen nationalen Animositäten mit Polen und Böhmen kam, die gleichfalls nebst ihren Herrschern Boleslaw IV. und Wladislaw mitzogen – den Bosporus und teilte sich dann, nachdem man mühsam Nikaia erreicht hatte. Die Masse des Fußvolkes und der Troß marschierten unter dem Halbbruder des Königs, Bischof Otto von Freising, die Küste entlang und endeten zum größten Teil in den Pässen des Kadmosgebirges durch türkische Säbel. Führer Otto floh, erreichte ein Schiff und erschien an Ostern 1148 in Jerusalem.
Der König selber wählte mit dem Kern der Ritterschaft den Weg durch das Landesinnere über Ikonium nach Syrien. Doch Ende Oktober vernichteten Seldschuken des Sultan Masud ibn Kilidsch Arslan von Rum Konrads III. Streitmacht bereits bei Dorylaion nahezu gänzlich. Alles wimmelte von Sterbenden, von Toten, viele waren durch Hunger und Durst derart geschwächt, »daß sie den heranjagenden Feinden freiwillig den Hals darboten«. Der König, von zwei Pfeilen verwundet und einem Nervenkollaps ereilt, erholt sich später als Gast des griechischen Kaisers in Konstantinopel.
Das französische Kontingent unter Ludwig, inzwischen ebenfalls nach Kleinasien gelangt und »wieder mit einer Menge Weiber beschwert« (Menzel), erlitt Anfang Januar 1148 ein
Weitere Kostenlose Bücher