Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Zielgedanken und Planung« beklagend. »Teilweise erwiesen sich nämlich die Slawen, die man unterwerfen wollte, als gute Christen ...« 33
Die Reconquista beginnt
Das christliche Westgotenreich in Spanien war durch den rasanten Vorstoß des Islam (711–714) zusammengebrochen. Obgleich mit minimalen Kräften unternommen, verlief die Offensive überraschend schnell, blieb der Widerstand meist schwach – »die schwer bedrückte leibeigene Landbevölkerung wie die verfolgten Juden ... hatten nichts zu verteidigen« (H.-R. Singer)! Der ganze Süden der Halbinsel und der größte Teil des Ostens wurden islamisch.
Die Araber drangen sogar über die Pyrenäen vor. Vierzig Jahre lang besetzten sie Septimanien, den städtereichen Küstenstreifen mit Narbonne und Carcassonne im südlichen Gallien (Gallia Narbonensis). Erst Pippin III. konnte nach Karl Martells ziemlich vergeblichen Raub- und Verwüstungsausgriffen zwischen 735 und 739 (IV 304 f.) die muslimisch regierte Region wieder dauernd dem Frankenreich einverleiben.
Allerdings wurde auch Spanien nicht im gleichen Maße durch die Eroberer beherrscht, blieben schmale Randzonen im gebirgigen Nordwesten, in Asturien und Galizien, in christlicher Hand, ohne daß Karl »der Große« freilich Hilfe geleistet hätte. Vielmehr galt sein berühmter Angriff zuerst einer christlichen Stadt, und zuletzt fielen die christlichen Basken über ihn her (IV 466 ff. Vgl. auch V 18 ff!).
Die Wiedergewinnung der Halbinsel, die Reconquista, die Spaniens Geschichte im Mittelalter entscheidend prägt, ging von kleinen, von den islamischen Machtzentren weit entfernten Ländern im Norden aus, von Katalonien, Aragon, Navarra, Kastilien, besonders von dem Königreich Asturien (auch León genannt). Ihnen allen stand, teilweise durch ein Niemandsland getrennt, das gewaltige Emirat/Kalifat von Córdoba gegenüber, ein von Bagdad völlig unabhängiger, von Emiren regierter, nicht selten durch Aufstände erschütterter Staat, dessen Regenten im 9. Jahrhundert eine Palastwache von 2000 Fußsoldaten und 3000 Reitern schützte. Doch war es ein Staat »
mit zentralisierter Verwaltung, gesunder Wirtschaft und einer kulturellen Aufgeschlossenheit, wie sie der christliche Westen nirgends kannte
« (Lacarra/Engels).
Der Regierungssitz soll von einer halben Million Menschen bevölkert, also ungefähr so groß wie Konstantinopel oder Bagdad gewesen, seine angeblich 3000 Moscheen und 900 Bäder dürften aber eine Übertreibung sein. Der Verwaltungsbezirk Córdobas umfaßte im 9./10. Jahrhundert 1059 Orte (qarya), 294 Festungen (burg) und 148 Burgen (hisn). Als wichtiger Umschlagplatz exportierte man vor allem Textilien und Waffen, war jedoch bedeutender durch eine hohe Kultur. Es gab viele namhafte Dichter und Gelehrte bereits zur Zeit des Cordoba politisch zusammenschmiedenden, ein halbes Jahrhundert regierenden Kalifen Abdarrahmàn III. (912–961); und der »Fürst der Gläubigen« und »Protektor der Religion Gottes« schlichtete sogar Bürgerkriege der Christen – zum eigenen Vorteil, selbstverständlich.
Al-Hakam II. (961–976), unter dem Córdoba zum unbestrittenen kulturellen Zentrum der gesamten islamischen Welt wurde, soll eine Bibliothek von 400000 Bänden besessen und für deren Ausbau Agenten von Spanien bis Kairo, Bagdad und Damaskus beschäftigt haben. Natürlich kamen Militär und Krieg nicht zu kurz. Nach al-Hakams Tod führte der faktische Staatslenker al-Mansur mehr als fünfzig Feldzüge gegen die spanischen Christenreiche. Den Höhepunkt kultureller Blüte aber erreichte das Kalifat im Hochmittelalter, zur Zeit seines Verfalls. Und am 29. Juni 1236 geriet Córdoba in die Hände der Christen. 34
Ihren beginnenden Widerstand in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts erleichterten wesentlich grausame Kämpfe der Invasoren untereinander, fortschwelende alte Stammes- und Rassenkonflikte etwa zwischen Arabern und Berbern, Syrern und Medinesern.
Einen wesentlichen Anteil an der Wiedereroberung Spaniens hatte Asturien.
König Alfons I. (739–757), wohl der eigentliche Schöpfer dieses Reiches, setzte den Kampf seines Schwiegervaters Pelayo, des princeps von Asturien und ersten christlichen Widerstandskämpfers gegen das muslimische Spanien fort. Dabei nützte er u.a. einen Aufruhr der Berber gegen die Araber (741) zu mehreren Feldzügen, wobei er – eigentlicher Auftakt der Reconquista – die wichtigsten Kastelle und Städte Galiciens, des Duero- und oberen Ebrotals dem Erdboden
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