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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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mich suchst.«
    »Dann habe ich dich nicht ganz verloren.« Der Gedanke machte Noelani glücklich. Sie war ihrem Körper nun schon so nah, dass sie den Sog des Lebens spürte, der sie wie ein unsichtbares Band zurückführen würde. »Ich werde wiederkommen«, versprach sie und fügte hinzu: »Danke – für alles.« Dann gab sie den Widerstand gegen den Sog auf.
    Das Gefühl der Enge, das sie jedes Mal überkam, wenn sie von einer Geistreise heimkehrte, erschien ihr nach der langen Reise geradezu unerträglich, aber schlimmer noch waren die Schmerzen, die diesmal wie hundert blutgierige Raubtiere an ihren Muskeln zerrten, bis die Ohnmacht nach ihr griff und den Qualen ein Ende bereitete.

8
    »Und?« Die Neugier des Luantar, die in dem Wort mitschwang, war nicht zu überhören. »Hast du die Maor-Say getroffen?«
    »Ja.« Kaori nickte. Im Mondlicht kam sie den Weg zum Ruheplatz des Dämons hinauf und trat vor den Felsen. »Ich habe mit ihr gesprochen, und sie hat mich zum Todesberg begleitet.«
    »Dann hast du es also selbst herausgefunden?«
    »Ja.«
    »Du bist sehr klug.« Auf unbestimmbare Weise klang der Dämon traurig.
    »Was ist mit dir?« Kaori legte den Kopf in den Nacken und schaute dorthin, wo sie das Antlitz des Luantar vermutete. Nachdem er sie bei ihrer letzten Begegnung so schroff abgewiesen hatte, erschien ihr sein Tonfall erstaunlich sanft.
    »Nichts«, kam die Antwort von oben.
    »Das glaube ich dir nicht?«
    »Sie werden die Insel verlassen oder?«
    »Ja, das werden sie wohl. Noelani hat erkannt, dass es hier keine sichere Zukunft für sie gibt.« Kaori verstummte und wechselte abrupt das Thema, weil ihr ein Gedanke kam. »Sag mal, wenn ich mit Noelani sprechen konnte, dann hätten die Jungfrauen die Maor-Say doch auch in dieser Sphäre erreichen können – oder nicht? Es wäre für sie ein Leichtes gewesen, einer der vielen Maor-Says, die nach dem Unheil über Nintau wachten, die Wahrheit zu sagen.«
    »Ja, das wäre es.« Der Dämon nickte bedächtig. »Sie haben es auch versucht.«
    »Und? Hatten sie Erfolg?«
    »Das kommt darauf an.«
    Kaori seufzte. Der Luantar schien diesmal gesprächig zu sein und sie war entschlossen, dies zu nutzen. »Ich würde es gern erfahren. Also, hatten sie Erfolg?«
    »Wenn du meinst, ob es ihnen gelungen ist, der Maor-Say auf einer ihrer Geistreisen zu begegnen und ihr eine Botschaft zukommen zu lassen, dann lautet die Antwort: Ja«, hob der Dämon an. »Wenn du aber wissen willst, ob sie damit ihr Ziel erreicht haben, kennst du selbst die Antwort.«
    Kaori nahm sich die Zeit, das Gehörte abzuwägen. Dann sagte sie: »Soll das heißen, die Maor-Say wusste, dass du gar nicht schuld an dem Unheil bist?«
    »Ja.« Der Dämon löste sich aus dem Felsen und ließ sich in seiner Geisterscheinung auf dem Trümmerfeld neben seinem versteinerten Körper nieder. »Die Maor-Say, die mich versteinerte und die fünf Jungfrauen opferte, wusste es. Aber sie hat dieses Wissen weder an das Volk noch an ihre Nachfolgerinnen weitergegeben, denn sie war machthungrig und egoistisch. Sie wollte ihr Leben nicht als Flüchtling in einem fremden Land fristen. Die Geister der fünf Jungfrauen versuchten immer wieder, sie umzustimmen. Am Ende aber mussten sie erkennen, dass sie ihr Leben einer Lüge geopfert hatten und dass sie ihr Volk nicht vor einer neuerlichen Heimsuchung würden schützen können. Sie waren so traurig und verzweifelt, dass ich ihnen wegen der List, die mich seither an diesen Ort bindet, nicht einmal böse sein konnte. Sie wussten es ja nicht besser und waren am Ende selbst Opfer des Irrglaubens.«
    »Dann wurde mein Volk über all die Generationen hinweg belogen?« Kaori war fassungslos. »Wir wähnten uns in Sicherheit. Dabei war es nur Glück, dass wir all die Jahre unbehelligt leben konnten.«
    »So kann man es sehen.«
    »Aber warum haben die fünf es dann nicht den anderen verraten? Jede Maor-Say, die der ersten folgte, war in der Lage, eine Geistreise anzutreten. Und sie haben es auch getan. Warum haben die Jungfrauen ihnen nicht die Wahrheit gesagt?«
    »Sie konnten es nicht.« Der Luantar seufzte. »Als die Maor-Say erkannte, dass die fünf nicht wirklich tot waren und sie sich ihr als Geister mitteilen konnten, legte sie einen Bann über die Statuen, der es den fünf unmöglich machte, ihre Hüllen zu verlassen. Von da an waren ihre Seelen in den Statuen gefangen. Niemals sollte jemand etwas von der Lüge der Maor-Say erfahren. Auch nach ihrem Tode wollte sie

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