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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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von dem dunklen Schatten der ägyptischen Königin verfolgt. Aber sobald sie Raheis Haus betrat und sich zu den Gästen gesellte, die fröhlich und fromm waren und die Gesetze ihres Gottes befolgten, wurde ihr wieder leicht ums Herz. Wie gerne hätte sie Rahel gestanden: »Ich bin gläubig.« Aber wie geschah dieses Wunder des Glaubens? Wie kam es, dass Menschen unerwartet eine Erleuchtung hatten, mitten in Raheis Garten auf die Knie fielen und in einer unverständlichen Sprache redeten? Und warum wirkte die geheimnisvolle Kraft nur bei manchen und nicht bei allen? Alle waren so sehr vom nahen Ende der Welt überzeugt – nicht nur Raheis Gruppe, auch Besucher aus anderen Gemeinden –, dass viele Anhänger ihren gesamten Besitz veräußert hatten. Auch in Raheis Haus war die Veränderung zu spüren: Sie hatte ihre Sklaven freigelassen, ein Großteil ihrer erlesenen Möbel war verschwunden, und statt ihrer kostbaren Seidengewänder trug sie grobes, handgewebtes Leinen. Sie sammelte unermüdlich Spenden für ihre armen Brüder und Schwestern in Jerusalem und opferte ihren teuren Silberschmuck für die Finanzierung christlicher Missionen in Spanien und Germanien.
    Es war Amelia nicht entgangen, dass unter den Christen keine Einigkeit in ihren Glaubensfragen herrschte. Heiden aus allen Schichten der Bevölkerung schlossen sich an, im Gepäck ihre alten Götter, und wenn Rahel zum Schluss das »Höre Israel« anstimmte, schlugen die einen ein Kreuz, während die anderen das heilige Zeichen des Osiris machten. Gelegentlich traten weit gereiste Besucher vor die Gemeinde, einige von ihnen hatten Jesus tatsächlich gekannt, doch das waren uralte Männer, die mit brüchiger Stimme ein so unverständliches Griechisch sprachen, dass sie einen Dolmetscher benötigten. Und selbst diese Männer konnten sich über das, was vor dreißig Jahren in Galiläa geschehen war, nicht einigen.
    Dann gab es die Anhänger Paulus’, der Jesus zwar nicht persönlich gekannt hatte, aber große Popularität genoss. Indes legten die Menschen seine Predigten großzügig zu ihrem eigenen Vorteil aus, was dazu führte, dass Paulus sie in seinen Briefen immer wieder ermahnen musste. Wieder eine andere, hauptsächlich aus Griechen bestehende Gruppe fasste die christliche Botschaft der griechischen Philosophie gemäß auf. Die Anhänger von Petrus, dem in der christlichen Bewegung populärsten Mann, hielten sich streng an die jüdischen Gesetze und forderten, dass bekehrungswillige Heiden zuerst Juden werden mussten, bevor sie zum Christentum übertraten.
    Und dann gab es die Mystiker, die sich darauf beriefen, dass die neue Sekte nicht aus gewöhnlichen Menschen, sondern nur in einem mystischen Bund mit Christus bestand. Jede Gruppe hielt ihre Überzeugung für den einzig wahren Glauben.
    Auch über Jesu Wiederkunft gab es die unterschiedlichsten Meinungen. Die einen behaupteten, er würde in einem goldenen Triumphwagen Einzug halten, die anderen meinten, er würde bescheiden auf einem Esel reiten; die einen sagten, er würde nach Rom kommen, die anderen erwarteten ihn zuerst in Jerusalem. Was das Reich Gottes betraf, so gingen die Meinungen über seine Form und wo und wann es errichtet würde, weit auseinander. Die einen sahen in Jesus den Friedensfürsten, die anderen den Krieger. Die vielen Evangelien, die in Form von Schriftrollen, Briefen und Papyri in Umlauf gebracht wurden, trugen zu der allgemeinen Verunsicherung noch bei. Jedes Evangelium behauptete, das einzig
    »wahre« zu sein, obwohl alle erst lange nach Jesus Tod geschrieben worden waren. Was die Verwirrung noch größer machte, war die Tatsache, dass es nur noch wenige gab, die Jesus zu seinen Lebzeiten gekannt hatten. Eine neue Generation von Menschen, die Jesus nie persönlich hatten predigen hören, interpretierte dreißig Jahre zurückliegende Ereignisse vor dem Hintergrund aktueller Stimmungen und Strömungen völlig neu.
    Die Debatte über die Bekehrung der Heiden wurde erbittert weitergeführt: Taufe oder Beschneidung. Die Befürworter der Beschneidung behaupteten, die Bekehrten würden Jesus zwar in ihr Pantheon aufnehmen, ihre alten Götter deswegen aber nicht aufgeben. Die Heidenchristen fingen damit an, Jesus Namen am 25.
    Dezember zu lobpreisen, das war der Tag, an dem sie den Geburtstag von Mithras begingen; und die Anhänger von Isis, der Himmelsgöttin, behaupteten, dass Jesu Mutter Maria die Mensch gewordene Göttin darstellte. Alle glaubten, dass es ihr Gott sei, dessen

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