Kuehles Grab
Gouverneurs mit Anrufen und Beschwerden, dass ein Serienmörder frei herumläuft. Der Gouverneur verlangt, dass wir den Fall aufklären, am besten schon gestern.« Sie verdrehte die Augen.
Die Ermittler lachten müde.
»Im Ernst«, sagte D. D. »Christie gibt sich alle Mühe – wie wir alle. Sie meint, sie braucht noch eine Woche. Bis dahin können wir Däumchen drehen und jammern, oder wir können solide Polizeiarbeit leisten.« Sie wandte sich wieder an McGahagin. »Sie sagten, Sie hätten sechsundzwanzig ungeklärte Vermisstenfälle. Haben Sie eine Aufstellung gemacht? Gibt es eine Häufung der Fälle um bestimmte Daten?«
»1979 bis 1982 war keine gute Zeit für junge Mädchen in Boston.«
»Wie viele?«
»Neun Fälle in vier Jahren – alle ungeklärt.«
»Alter der Opfer?«
»Zwischen null und achtzehn.«
D. D. dachte nach. »Und wenn Sie das Alter auf fünf bis fünfzehn reduzieren?«
»Bleiben sieben.«
»Namen?«
Er zählte sie auf – Dori Petracelli war auch dabei.
»Orte?«
»Weit verstreut. Southie, Lawrence, Salem, Waltham, Woburn, Marlborough, Peabody. Wenn wir voraussetzen, dass ein und derselbe Täter für sechs oder alle sieben Entführungen verantwortlich ist …«
»Das nehmen wir unbedingt an.«
»Dann sprechen wir von jemandem, der ein Fahrzeug hatte«, überlegte McGahagin laut. »Von jemandem, der sich in diesem Staat auskennt, der nirgendwo auffällt. Vielleicht ein Angestellter der Stadtwerke, ein Handwerker. Ein schlauer Typ. Organisiert. Trickreich bei der Annäherung an seine Opfer.«
»Eola passt in den Zeitrahmen«, bemerkte Sinkus. »Er wurde 1978 entlassen, hatte nichts Besseres zu tun …«
»Aber«, wandte D. D. ein, »nach 1982 reißt die Serie ab. Eola hätte keinen Grund gehabt aufzuhören. Theoretisch hätte er ewig so weitermachen können. Das trifft allerdings auf jeden Täter zu. Ein Triebverbrecher wacht nicht eines Tages auf und bereut seine Taten. Etwas muss passiert sein. Andere Ereignisse, Einflüsse müssen sich ausgewirkt haben. Das führt uns –«, ihr Blick wanderte zu Bobby, »– zu Russell Granger.«
Bobby stöhnte leise auf und beugte sich vor. Die Bostoner Cops taxierten den Staatsbullen. »Laut Polizeiakten rief Russell Granger zum ersten Mal im August 1982 die Polizei wegen eines Spanners vor seinem Haus. Das war der Anfang einer Reihe von Zwischenfällen, die Russell Granger zwei Monate später dazu veranlassten, seine Sachen zu packen und mit seiner Familie zu verschwinden, scheinbar um seine siebenjährige Tochter Annabelle zu schützen. Auf den ersten Blick haben wir ein potentielles Opfer – Annabelle Granger – und ihren armen, geplagten Vater. Aber …«
»Aber?«, bekräftigte D. D.
»Catherine Gagnon, die 1980 entführt wurde, hat Russell Granger auf einem Foto wiedererkannt. Aber Catherine Gagnon hat Granger als FBI-Agenten kennengelernt, der sie nach ihrer Rettung zweimal im Krankenhaus befragt hat. Das muss im November 1980 gewesen sein – fast zwei Jahre bevor der Spanner vor Grangers Haus in Arlington herumlungerte.«
Rock schien im Sitzen eingedöst zu sein. Diese Information schreckte ihn wieder auf. »Was?«
»Wir haben uns auch gewundert. Zweitens, bei seinen Besuchen in Catherines Krankenzimmer legte Granger ihr eine Zeichnung vor. Catherine sagte ihm, dass der Mann auf der Zeichnung nicht ihr Entführer sei. Granger bestand darauf, dass sie sich irrte, und wurde wütend, weil sie standfest blieb und ihm widersprach. War diese Zeichnung eine Taktik, um Catherine abzulenken, oder hatte er wirklich einen Verdächtigen im Sinn? Ich habe meine Meinung.« Er deutete auf D. D. »Sergeant Warren hat ihre. Damit kommen wir zu drittens – der Name Russell Granger taucht nirgendwo auf. Es gibt keinen Führerschein. Keine Sozialversicherungsnummer. Nicht für ihn, nicht für Annabelles Mutter Leslie Ann Granger. Laut Grundbucheintragungen gehörte das Haus in der Oak Street, in dem die Grangers wohnten, von 1975 bis 1986 einem gewissen Gregory Badington aus Philadelphia. Ich vermute, die Grangers haben es gemietet. Badington ist vor drei Jahren verstorben, und seine Witwe, die am Telefon klingt wie eine Hundertjährige, hatte keine Ahnung, wovon ich überhaupt redete. Das ist also eine Sackgasse. Gestern hab ich einen Routinecheck bei der Finanzbehörde gestartet – ohne Ergebnis. Ich habe nachgeforscht, wo die Möbel der Grangers abgeblieben sein könnten. Nichts. Es ist, als hätte die Familie nie existiert. Bis auf die
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