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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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um den Blick langsam über den dicht gedrängten Haufen
wandern, ihn auf dem Gesicht jedes einzelnen seiner Mitspieler ruhen zu lassen,
durchdringend, aber wohlwollend. Was bei den Harpooners noch an Nervosität
übrig war, verbrannte wie Gas, wenn der Zündfunken überspringt. »Die Arbeit ist
getan. Wir sind gerannt, haben Gewichte gestemmt und uns die Eingeweide aus dem
Leib gekotzt. Aus dem Nichts haben wir diese Baseballabteilung aufgebaut. Wir
haben dafür gesorgt, dass man stolz sein kann, diese Uniform zu tragen. Wir
müssen niemandem mehr irgendwas beweisen, verdammt. Wir haben uns bewiesen.
Heute spielen wir einfach.« Er streckte eine Hand in die Mitte des Haufens. Er
sah Henry an und lächelte. » Spiel auf drei.
Einszweidrei –«
    »SPIEL!«
    »Killt die verdammten
Arschdödel«, sagte Owen.

47
    —
    Pella schwamm sechs Bahnen, ruhte sich am Beckenrand aus
und schwamm noch sechs weitere. Chlor durchströmte reinigend ihre
Nasennebenhöhlen. Ihr Kopf fühlte sich klar an. Es hatte Zeiten gegeben, da war
sie zehn Kilometer geschwommen, hatte einen flachen Bauch gehabt und schlanke,
kräftige Arme – nun ja. Mit zitterndem Bizeps zog sie sich aus dem Becken und
legte sich zum Trocknen auf eine der Bänke. Sie spürte, wie der Bademeister sie
von seinem Hochstand aus halb verstohlen beobachtete, während er die
planschenden Gören der Professoren im flachen Wasser am Beckenende so lange
ignorierte, wie sie über die glitschigen Fliesen bis zur Umkleide brauchte. Als
sie seinen Stuhl passierte, zog sie die Badekappe ab und schüttelte sich die
Haare über die Schultern. Hochmut kommt …
    Sie duschte, zog sich an und ging hinaus, das Haar noch nass, die
Westish-Windjacke bis zum Hals geschlossen. Sie war noch nie am Baseballfeld
gewesen, aber sie konnte die Zuschauer in der Ferne hinter den weiten
Grasflächen der Sportplätze sehen. Der sattgelbe Umschlag des aktuellen
Murakami-Romans, den sie zur Feier ihres ersten Gehaltsschecks im
Campus-Buchladen gekauft hatte, schaute aus ihrer Jackentasche.
    Überall auf dem Campus
waren Handzettel an Fenstern, Ahornbäumen und Schwarzen Brettern befestigt
worden: WESTISH GEGEN COSHWALE! UNTERSTÜTZT DIE
HARPOONERS! APARICIO RODRIGUEZ! Die Studenten in der Schlange an der Essensausgabe sprachen in letzter
Zeit kaum von etwas anderem. Für Pella war es eine versöhnliche Geste
hinzugehen – sie wollte Mike unterstützen, und sie wollte, dass er sie auf der
Tribüne dabei sah, wie sie ihn unterstützte, und es ihm ein bisschen leidtat,
dass sie sich gestritten hatten.
    Das Spiel verfolgen
würde sie hingegen sicher nicht, da sie Baseball von allen
Mannschaftssportarten am langweiligsten fand. Es war alles so langsam und
kompliziert. Der eine Wurf zählte, der andere wieder nicht, dabei sahen sie
alle gleich aus. Als sie noch klein war, hatte ihr Vater sie ein paar Mal mit
in den Fenway Park genommen, Ausflüge, an die sie sich gern zurückerinnerte –
das Brutzeln von Zwiebeln und Paprika auf den Imbisswagen entlang Lansdowne,
die großen Wasserbälle, die fröhlich über die Tribünen wanderten, das
aufregende Gewühl unfassbar großer, quakender Frauen in den übel riechenden
Toiletten, vor denen ihr Vater auf sie warten musste –, an diesen Sonntagen war
es aber im Grunde gar nicht um Baseball gegangen, weder für sie noch für ihn.
Es waren kulturelle Exkursionen, vergleichbar mit einem Konzertbesuch oder
einem Ausflug ins Museum of Fine Arts.
    »Hey«, hörte sie im
Stimmengewirr jemanden rufen, »pass auf, wo du langläufst!« Ein schwarz-weißer
Ball titschte auf Pella zu, und sie begriff, dass sie aus Versehen auf das
Spielfeld einer Gruppe von Freizeitfußballern geraten war. »Entschuldigung«,
murmelte sie, eher zu sich selbst. Sie wollte den Ball schon als Akt der
Wiedergutmachung zurückzuschießen, doch das Mädchen, das gerufen hatte, näherte
sich ihr bedrohlich. »Aus dem Weg«, kreischte sie und
entblößte dabei ihre winzigen Zähne. Pella wich dem Ball und dann dem Mädchen
aus und brachte sich außerhalb der orangefarbenen Hütchen, die das Spielfeld
markierten, in Sicherheit. Sie seufzte, froh, ein Unglück abgewendet zu haben,
doch keine fünfzig Meter weiter merkte sie, dass ihr Buch auf dem Spielfeld heruntergefallen
war.
    WESTISH  2, GÄ   TE  0. Hurra, Hurra.
Das Spielfeld war von Leuten umringt, nicht so vielen wie bei einem Spiel der
Red Sox, aber vielen – tausend, vielleicht mehr. Auf der Tribüne, die nach
Westen zeigte und

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