Kunstblut (German Edition)
fragte Katja, und ihre linke Augenbraue hob sich gewaltig, als ich mit einer entschuldigenden Geste aufstand und dem Maître zum Telefon folgte.
Es war Friedel. In meinen Ärger über die Störung mischte sich Erleichterung, endlich von ihm zu hören.
»Wo zum Teufel steckst du, Mann?«, fragte ich.
»Sorry, es war keine Zeit, mich abzumelden. Ich bin in Köln.«
»Was machst du da?«
»Seit gestern Abend bin ich van Wygan auf den Fersen. Er hat hier eine Wohnung, da versteckt er sich. Alle paar Stunden kommen die Bullen und klingeln, aber er macht nicht auf. Eben hat er zum ersten Mal wieder das Haus verlassen. Jetzt sitzt er in einer Kneipe, und ich steh davor. Ein ziemlich seltsamer Laden für einen Kunstprofessor, wenn du mich fragst.«
»Ich frage aber nicht! Des wegen holst du mich von einem Drei-Sterne-Menü weg? Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?«
»Von deinem Taxifahrer.«
»Dann vermassel mir mal nicht den Abend.«
»Das kannst du selbst entscheiden. Van Wygan trifft sich hier mit Steen, diesem Heini mit den Videoschnipseln.«
»Ja, und?«
»Die Kölner Bullen haben gerade über Funk eine Fahndung nach ihm rausgegeben. Er steht unter Mordverdacht.«
»Wer, Steen? Wieso das?«
»Ich weiß nicht, was die Bullen wissen, ich weiß nur, wo Steen ist. Und wenn du ihm noch ein paar Fragen stellen willst, bevor er einfährt, solltest du dich beeilen.«
Ich fluchte lautlos in mich hinein. »Okay. Wo ist diese Kneipe?«
Er nannte eine Adresse am Rand der Kölner Innenstadt und legte auf. Ich rief Herrn Kim an, er versprach, in zehn Minuten da zu sein.
Katjas Augenbraue bewegte sich wieder in einer gefährlichen Höhe, als ich zum Tisch zurückkehrte.
»War’s das mit unserem Abend?«, fragte sie ernst.
»Ich fürchte ja.«
Sie schob den Teller mit dem Kapamaki von sich weg und warf ihre Serviette daneben.
»Schade«, sagte sie leise und stand auf. Der Ober kam fragend auf sie zu, als sie zur Tür ging, aber ich winkte ab.
»Bestellen Sie der Dame ein Taxi«, sagte ich, »und ich hätte dann gern die Rechnung.«
* * *
Herr Kim behauptete, sich in Köln auszukennen. Es fiel mir schwer, das zu glauben, da meiner Erfahrung nach nicht einmal Kölner Taxifahrer sich in Köln auskennen, aber Herr Kim fand die Straße auf Anhieb, und das ohne Navigationsgerät. Mit der Beschreibung »ziemlich seltsam« hatte Friedel durchaus ins Schwarze getroffen. Es war eine winzige, suspekt wirkende, bleiverglaste Kaschemme in einem Wohngebiet der nördlichen Innenstadt. Friedel stand gegenüber in einem Toreingang.
»Warst du drin?«, fragte ich, als er bei uns eingestiegen war.
»Bist du zu retten? Van Wygan und Steen kennen mich doch. Ich hab nur durch die Scheiben geguckt.«
»Mich kennen sie auch.«
»Ich muss wissen, was die zu bereden haben!« Wütend hieb er mit der Faust gegen die Seitenscheibe.
»Wenn Sie meinen Wagen ganz lassen, kann ich ja für Sie reingehen«, sagte Herr Kim.
Friedel warf mir einen fragenden Blick zu, aber ich sagte sofort: »Ja.«
Nach kurzer Instruktion wählte ich Herrn Kims Handy an. Er nahm das Gespräch an, steckte das Gerät in die Brusttasche und stieg aus. Friedel folgte ihm, stellte sich vor das bunte Fenster und versuchte unauffällig hineinzustarren, so weit so etwas möglich war. Herr Kim betrat die Kneipe.
Ich presste mein Handy ans Ohr, aber außer disparaten Gesprächsfetzen und gewöhnlichem Kneipenlärm war nichts zu vernehmen. Herr Kim bestellte ein Kölsch, was mir eine hervorragende Tarnung zu sein schien.
Friedel kam zurück. »Er sitzt jetzt neben ihnen«, sagte er.
»Das ist doch erbärmlich«, hörte ich van Wygan sagen.
»Herr Professor, das dürfen Sie nicht sagen, ich habe …«
»Hören Sie auf, Steen. Bin ich denn nur von Versagern und Schwächlingen umgeben, die nicht bereit sind, einmal begonnene Konzepte zu Ende zu denken? Ich bin nicht zufrieden. Ich kann nicht zufrieden sein!«
»Aber, Herr Professor, ich habe …«
» Was haben Sie? Sie schlagen mir vor, ohne zwingenden Anlass den grundlegenden Ansatz des Konzeptes zu zerstören. Und nur um mir das mitzuteilen, bestellen Sie mich in dieses … Etablissement . Das hätten Sie in jeder beliebigen anderen Form tun können. Ich werde …«
»Ein Kölsch. Deckel?«, fragte eine brüchige weibliche Stimme.
»Ja«, antwortete Herr Kim leise.
»Du bist das erste Mal hier, Liebelein, oder?«, fragte die Frauenstimme. Auf die folgende Frage, wo er herkäme, antwortete Herr
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