Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
Hunde?«
»Im Salon.« Sie nimmt das Messer und rammt es in die Zitrone. »Ich bringe sie ins Grab.«
»Die Hunde?«
»Nein! Männer. Ich bin der Kuss des Todes. Die Schwarze Witwe von Bryanston.«
»Das ist Unsinn.«
»Entweder das oder ich vertreibe sie.«
»Aber was mit Alvin geschehen ist, war nicht Ihre Schuld, Rose. Sie sind doch nicht für seinen Lungenkrebs verantwortlich.«
Sie fuchtelt mit der Hand in der Luft. »Ja, ja. Ich rede von vorher. «
Ich lehne mich zurück und warte, dass sie weiterspricht. Soll sie es sich doch ruhig mal von der Seele reden.
»Er hatte eine Affäre. Mit seiner Schlampe von Sekretärin. Das alte Klischee. Ist mit ihr in irgendein stinkendes Liebesnest abgehauen.«
»Das hat Dan mir nie erzählt!«
»Er weiß es nicht. Alvin war nur eine Woche weg. Dann kehrte er mit eingekniffenem Schwanz zu mir zurück. Drei Monate später war er tot.«
Tränen glitzern in ihren Augen.
»Wie viele hatten Sie schon, Rose?«
»Männer?«
»Nein, Drinks.«
»Nur einen für unterwegs. Einen verdammt großen!« Diesmal klingt ihr Kichern hohl.
»Tja«, sage ich, leere mein Glas und bemühe mich, nicht zu würgen, als der fast pure Gin mir die Kehle verätzt. »Ich sollte jetzt besser gehen und ...«
Ihre geäderte Hand klammert sich um meinen Arm. »Rhoda? Kann ich Sie was fragen? Was Persönliches?«
»Sicher, Rose.« Zumindest das bin ich ihr schuldig.
»Woher haben Sie die Narbe in Ihrem Gesicht?«
Ich zucke zusammen. Ich dachte, sie will mich wieder wegen Dan löchern. Aber natürlich ist ihr die riesige Narbe nicht entgangen. Sie war nur bisher zu höflich, mich darauf anzusprechen.
»Wollen Sie das wirklich wissen?«, frage ich.
»Ja. Wirklich.«
Ich beschließe, ihr die Wahrheit zu sagen. »Ich erzähle allen, dass es eine Brandnarbe ist, aber das stimmt nicht.«
»Warum tun Sie das?«
»Dann fragt keiner weiter. Und ich muss nicht die wahre Geschichte erzählen.«
»Warum haben Sie es nicht wegmachen lassen?«, will sie wissen.
»Weil ich ein mieses Stück bin«, antworte ich.
Sie lächelt mich an. »Ich bin ganz Ohr.«
Soll ich?
Scheiß drauf. Sie gießt mir einen weiteren Drink ein und ich erzähle ihr die ganze elende Story. Wie Mum und Dad nach Hause gefahren sind, nachdem sie mich auf eine ihrer Literaturpartys geschleppt haben. Wie sie beide zu viel getrunken hatten, in bester Stimmung, um Dads neuen Posten an der Universität Brighton zu feiern. Wie der Wagen aus dem Nichts kam und wie in Zeitlupe auf uns zuschleuderte.
Dass sie beide unversehrt blieben, nicht mal ein Kratzer, nicht mal ein Schleudertrauma. Dass ich alles andere als unversehrt war. Durch die Windschutzscheibe geschleudert. Ich hätte tot sein müssen. Gebrochene Hüfte, ausgerenkte Schulter und nicht zu vergessen die üblen Schnitte in meinem Rücken und, natürlich, in meinem Gesicht.
»Wann war das?«, fragt Rose und klingt auf einmal deutlich nüchterner.
»Vor fünf Jahren. Ich wollte gerade mit dem Studium beginnen.«
»Aha? Und was wollten Sie studieren?«
»Englisch. In East Anglia.«
»Und warum haben Sie es nicht getan?«
»Gute Frage. Ich war wütend. Ich bin es immer noch. Und ... na ja, sehen Sie mich an. Ich bin ewig im Krankenhaus gewesen.«
»Hautplanstra... äh ...«
»Ja.«
»Wie schrecklich. Aber man hat Ihnen doch sicher auch kosmetische Operationen angeboten?«
»Ich hatte die Nase voll von Operationen. Und ich glaube, ich wollte, dass sie jedes Mal, wenn sie in mein Gesicht sehen, an das erinnert werden, was sie getan haben. Ich bin ein mieses Stück, was?«
»Damit sind wir schon zwei, Rhoda«, sagt sie. »Ich verstehe Sie.«
»Ja?« Ich sehe sie überrascht an.
Sie winkt mit ihrem Drink. »Sicher. Unterschätzen Sie nie den Hang zur Rache. Aber, Rhoda, Eltern können niemals mit dem Gedanken leben, dass sie ihrem Kind Schaden zugefügt haben. Es ist unerträglich.«
Wir sitzen einige Minuten schweigend da, beide in unseren eigenen Gedanken versunken.
»Rose«, sage ich und trinke mein Glas aus. Diesmal geht der Alkohol schon glatter hinunter. »Kann ich mal Ihr Telefon benutzen?«
Sie wartet im Wohnzimmer auf mich, die halb leere Ginflasche und eine frische Dose Tonic vor sich auf dem Couchtisch.
»Wie isses gelaufen?«, nuschelt sie. Mittlerweile ist sie so betrunken, dass sie kaum noch zu verstehen ist.
Ich lächle sie an. »Ganz gut.« Verstohlen wische ich mir über das Gesicht. Verdammt. Meine Wangen sind immer noch feucht.
»Oh, machen Sie
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