Land der Sehnsucht (German Edition)
verteilen.“
Sie legte den Kopf etwas zur Seite. „Aus persönlicher Erfahrung weiß ich zufällig, wie unwahr das ist, Monsieur Brennan.“ Wenn sie sich nicht irrte, wurde seine Gesichtsfarbe um eine Nuance dunkler.
Er machte sich an seiner Brusttasche zu schaffen, so als suche er dort etwas. „Wenn du ihnen einen Namen geben willst, habe ich nichts dagegen.“
Sie schaute das erste Percheronpferd an und erinnerte sich genau daran, wann sie als kleines Mädchen zum ersten Mal ein solches Tier gesehen hatte. Sie saß damals auf den Schultern ihres Vaters.
Jack lehnte sich an die Box, hörte ihr zu und beobachtete sie, während sie es ihm erzählte. „Welche Erinnerungen an deinen Vater hast du noch?“
Véronique schloss die Augen und kramte in ihrem Gedächtnis. „Wie sich seine große Hand um meine kleinere legte, als er mir zeigte, wie man einen Stift hält.“ Sie atmete ein. „Und an seinen Geruch. Er roch nach Pfeifenrauch und Sonnenschein, wenn er mir einen Gutenachtkuss gab. Und ich erinnere mich daran, wie ich mich fühlte, wenn er bei mir war.“ Geliebt, erwählt, geschätzt.
Véronique versuchte, die aufsteigenden Tränen zu bekämpfen. „Die übrigen Erinnerungen sind für mein inneres Auge genauso real, aber sie wurden mir von meiner Mutter erzählt.“
„Glaubst du, deine Mutter hätte dich in diesen Dingen angelogen?“
„Non, non, bestimmt nicht. Aber … sie sah die Dinge manchmal anders als ich. Wenn sie zum Beispiel eine Situation erzählte, die ich ebenfalls erlebt hatte, gab sie ihr eine andere Farbnuance, als ich die Szene in Erinnerung hatte. Deshalb bin ich nicht sicher, wie zuverlässig diese geborgten Erinnerungen sind, falls du verstehst, was ich meine.“
„Ja, ich verstehe, was du meinst.“ Er kniff die Augen leicht zusammen. „Ich kann mir vorstellen, dass du eine lebhafte Fantasie hast.“
Ihre Gedanken wanderten dorthin zurück, wo ihr Gespräch ursprünglich begonnen hatte. „Manchmal lebhafter, als gut für mich ist.“
Er stieß sich von der Wand ab. „Und was sollten wir deiner Meinung nach jetzt tun?“
Ihre Augen wurden groß.
„Wegen der namenlosen Pferde, meine ich.“
„Ah …“ Sie atmete hörbar aus und betrachtete dann das erste Tier. „Ich finde … er sollte Napoleon Bonaparte heißen.“ Sie trat zur nächsten Box. „Und für dieses majestätische Geschöpf passt kein Name besser als Charlemagne, Karl der Große.“
Jacks Lachen hallte durch den Stall. „Ich glaube, ich hätte vorher einige Regeln aufstellen sollen.“
„Dafür ist es jetzt leider zu spät. Denn wie du siehst, sind Napoleon und Charlemagne sehr zufrieden mit ihren Namen.“
* * *
Als sie später ins Hotel zurückkamen, begleitete Jack sie die Treppe hinauf. Im ersten Stock blieb sie stehen. „Bist du auch noch Gast in diesem Hotel?“
„Ja, Madam.“
Sie nickte und stieg weiter die Treppe hinauf.
Jack folgte ihr und bewunderte ihr Kleid, das eng um die Taille lag und sich dann in einer auffallenden Turnüre fortsetzte. Er hatte vermutet, dass sie wusste, dass er noch im Hotel wohnte. Ob sie sich aber bewusst war, dass sein Zimmer direkt gegenüber von ihrem lag, wagte er zu bezweifeln.
Es sei denn, sie hatte Lilly gefragt. Das würde er ihr zutrauen. Die beiden wirkten wie Schwestern, die bei ihrer Geburt getrennt geworden waren und sich jetzt wiedergefunden hatten.
„Danke, dass du mich zu meinem Zimmer begleitest, Jack, und danke für den schönen Abend. Das war sehr unerwartet und sehr angenehm.“
„Ich habe den Abend auch genossen, und auch Napoleon und Charlemagne.“ Er gab sein Bestes, um die Namen so auszusprechen wie sie, und genoss ihre Reaktion. Er betrachtete kurz den Teppich unter seinen Stie feln und wusste, dass er das, was er ihr sagen musste, genauso gut gleich jetzt ansprechen konnte. „In den nächsten zwei Wochen werde ich in einige der Städte fahren, in denen wir schon waren.“
„Das Geschäft läuft gut für dich, nicht wahr? Ich gratuliere dir.“
Er nickte. „Das Geschäft läuft sehr gut. Ein bisschen zu gut, da es mich mehr auf Trab hält, als ich ursprünglich geplant hatte.“
„Ich denke, der Wagen, den du benutzt, trägt sehr zu diesem Erfolg bei, würdest du mir darin nicht zustimmen?“
Als er das Necken in ihrer Stimme hörte, lachte er leise. „Ja, Madam. Ich würde sagen, das stimmt.“ Wie sollte er es formulieren? Er hatte schon vor ihrem gemeinsamen Abend viel darüber nachgedacht, aber nach dem, was ihm
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