Land der Sehnsucht (German Edition)
vor einigen Minuten im Mietstall fast passiert wäre … Er hätte sie beinahe in die Arme genommen und das getan, woran er seit dem Abendessen ständig gedacht hatte. Genauer gesagt, seit er diese Frau das erste Mal gesehen hatte. Und wenn sie nicht plötzlich angefangen hätte, ihm einen Vortrag über Percheronpferde zu halten, hätte er es sicher auch getan. „Was die Fahrten an die Orte betrifft, die wir bereits besucht haben, Véronique, denke ich, dass du mich dorthin nicht begleiten solltest.“
Das Licht erlosch in ihren Augen. Ihr Nasenrücken legte sich für einen Moment in winzige Falten, als sie wegschaute. „Warum hältst du das für besser?“
„Ich genieße es, dich dabei zu haben. Versteh mich also bitte nicht falsch.“ Er beugte sich ein wenig nach unten, bis sie ihn wieder anschaute. „Ich bitte dich, dass du mich bei dem, was ich dir jetzt sagen will, ausreden lässt, ja? Ich habe dich wirklich gern bei mir. Darum geht es nicht.“
Sie nickte. „Und um eines klarzustellen: Diese Freude beruht auf Gegenseitigkeit.“
Er reagierte auf die Verwundbarkeit in ihrer Stimme, auf die Unschuld in ihren braunen Augen, was seinen Entschluss noch verstärkte, mit ihr diese Dinge zu klären. „Wie wir schon früher besprochen haben, ist es immer gefährlich, dich dabei zu haben. Da wir diese Orte bereits besucht haben, hat es keinen Sinn, dass du die Strapazen noch einmal auf dich nimmst. Das Risiko ist in diesen Fällen viel größer als der mögliche Nutzen. Siehst du das nicht auch so?“
„Ja. Es gefällt mir nicht, aber ich sehe es auch so.“
Er lächelte über ihre unerwartete Antwort. „Du bist immer so ehrlich. Das könnte dich irgendwann in Schwierigkeiten bringen, weißt du das?“
Ihre Kinnlade fiel nach unten. „Das hat Christophe mir auch immer gesagt. Fast mit denselben Worten.“
Alles verspielte Geplänkel verschwand, als Jack schon wieder diesen Namen hörte. „Christophe?“
„Oui“, flüsterte sie. „Ein lieber Freund, von dem ich schon lange nichts mehr gehört habe.“
„Du hast ihm geschrieben?“
„Oui, und ich warte auf seine Antwort. Du würdest ihn sehr mögen, glaube ich.“
Das bezweifle ich sehr. „Sicher. Nun …“ Jack nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und sperrte ihre Tür auf. „Ich hoffe, du kannst heute Nacht gut schlafen.“
„Danke, Jack. Ich wünsche dir auch …“
Er erblickte es im selben Moment wie sie.
Sie bückte sich, um den Umschlag aufzuheben, der unter ihrer Tür durchgeschoben worden war. Sie richtete sich auf und ihr Gesicht strahlte ganz aufgeregt. „Es ist ein Brief von …“
„Christophe“, ergänzte Jack leise. „Wie passend. Dann überlasse ich dich diesem Brief. Gute Nacht, Véronique.“
„Gute Nacht, Jack, und nochmals danke.“ Sie schloss die Tür, noch bevor er sich zum Gehen wandte.
Kapitel 24
Véronique winkte Monsieur und Madame Carlson zu, als sie und Lilly im Wagen losfuhren. Nachdem sie vor zwei Sonntagen und heute nach dem Gottesdienst wieder zum Mittagessen bei Lillys Eltern zu Gast gewesen war, verstand Véronique besser, warum Lilly zu so einer besonderen jungen Frau heranwuchs. Und ihr jüngerer Bruder, Bobby, war einfach nur lieb, obwohl Véronique unter seinen neugierigen Blicken während des Mittagessens etwas unsicher geworden war.
Sie wünschte, Jack hätte Hannah Carlsons Essenseinladung auch angenommen. Aber er hatte sich entschuldigt und gesagt, dass er noch etwas Geschäftliches erledigen müsse. Sie hatte ihn seit ihrem gemeinsamen Abendessen am letzten Wochenende nur einmal kurz im Kolonialwarenladen gesehen, und er hatte distanzierter gewirkt als sonst. Sie hätte viel darum gegeben, den Grund dafür zu erfahren.
Lilly lenkte den Wagen von ihrem Elternhaus weg und auf eine Hauptstraße, die durch die Stadt führte. Véronique betrachtete jede Bewegung des Mädchens und beobachtete das Selbstvertrauen, mit dem sie die Zügel in den Händen hielt, die Füße auf den Boden stellte und immer wieder einen Blick hinter sich warf. Warum sie das machte, hatte Véronique noch nicht herausgefunden.
„Mademoiselle Girard, hätten Sie heute Nachmittag Lust zu einer Fahrstunde?“
Véronique wusste, dass sie ertappt worden war, und versuchte, den neckenden Ton in Lillys Stimme nachzuahmen. „Dabei dachte ich, ich hätte mich bei der Beobachtung deines Talents ganz unauffällig verhalten.“
„Wenn Sie mit unauffällig meinen, dass Sie mich ganz offensichtlich aus dem Augenwinkel heraus
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