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Land der Sehnsucht (German Edition)

Land der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Land der Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamera Alexander
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vielleicht Angst, vielleicht stank sie furchtbar, aber die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Schlimmeres passiert sein könnte, war gering. Er hatte schon Stinktiere gesehen, aber sie waren bei weitem nicht so zahlreich, wie die Leute glaubten.
    Jack lief über den Hang und passte gut auf, wohin er trat. Dann wurde er langsamer, als Véroniques Spur plötzlich endete. Er entdeckte die Höhle im selben Augenblick, in dem hinter ihm etwas im Gebüsch raschelte.
    Das Stinktier krabbelte mit steifen Beinen heraus und begann mit den Füßen zu scharren. Es machte einen Satz nach vorne und blieb dann stehen. Es senkte den Kopf, als wolle es gleich angreifen.
    Das war alles, was Jack brauchte. Er zielte mit seiner Pistole und drückte ab.
    Das Tier sank zu Boden. Jack brachte schnell einen Sicherheitsabstand zwischen sich und das Tier für den Fall, dass es doch noch sein Sekret verspritzt hatte. Der Schuss hallte von den Bergwänden wider und wurde mit jedem Echo schwächer.
    Als er sicher sein konnte, dass das Stinktier tot war, drehte sich Jack zu der Höhle herum und trat auf den Eingang zu. „Véronique!“
    „Jack?“
    Als er ihre Stimme hörte, regte sich eine starke Erleichterung in ihm. Doch im nächsten Moment war er von kaltem Schweiß gebadet. Jack spähte in die Höhle. Er war wieder sieben Jahre alt, stand neben Billy Blakely und schaute mit ihm in den dunklen Schlund der verlassenen Bergbaumine. Billy Blakely …
    Jack versuchte, diese Erinnerung von sich abzuschütteln, aber sie ließ ihn nicht los. „Geht es dir gut?“
    Zuerst hörte er nichts, doch dann vernahm er ein schwaches Wimmern. „Irgendwann bestimmt wieder.“
    Ihm blieb keine andere Wahl, und das wusste er. Er sicherte seine Pistole und steckte sie hinten in seinen Gürtel, während er den Höhleneingang anstarrte. Er bekam eine Gänsehaut. „Ich komme. Bleib einfach, wo du bist.“
    Während er den ersten Schritt ging, wurde ihm bewusst, dass das genau dieselben Worte waren, die sein Vater damals vor einunddreißig Jahren zu ihm in den verlassenen Schacht hinuntergerufen hatte. Jack fragte sich, ob es Véronique genauso sehr tröstete, seine Stimme zu hören, wie damals ihn, als sein Vater ihn gerufen hatte. Er bezweifelte es, da sie bei Weitem nicht so ängstlich klang, wie er es damals gewesen war.
    Er trat in die Höhle, blieb stehen und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Stinktiergeruch war stark und trieb ihm Tränen in die Augen. Seine Kehle brannte. Aber er wagte es nicht, das Tuch noch fester zu binden. Er konnte ohnehin kaum atmen.
    „Véronique …“ Er wartete, bis das Echo verklungen war und sich sein Pulsschlag hoffentlich verlangsamte. „Kannst du in die Hände klatschen?“
    Sekunden vergingen. „Oui.“
    Er wartete. „Würdest du das bitte machen? Einmal.“
    Ein einziges Klatschen ertönte.
    „Gut. Mach das alle paar Sekunden.“
    Ein Klatschen … Stille … wieder ein Klatschen … Ein langsamer Rhythmus entstand.
    Jack folgte dem Geräusch. Bei jedem Schritt wurde das Rauschen in seinen Ohren stärker. Er zwang sich, ein- und auszuatmen, gleichmäßig zu atmen und nicht auf das Tempo einzugehen, das seine Angst ihm vorgeben wollte. Er hätte schwören können, dass die Wände um ihn herum enger wurden. Er streckte die Arme vor sich aus. Dann legte er seine Hände an die Höhlenwände, nur um sich zu vergewissern, dass sich die Wände nicht bewegt hatten.
    Das Klatschen kam näher und der Gestank wurde stärker.
    Ein Gespräch, das er einmal mit seinem Vater geführt hatte, kam ihm in den Sinn. Es war Jahre nach dem Unfall gewesen. Sein Vater hatte ihm gestanden, wie viel Angst er gehabt hatte, als Jack in dieses Loch gefallen war. Aber in Jacks jungen Ohren hatte sein Vater, als er an jenem Tag seinen Namen rief, überhaupt nicht ängstlich geklungen. Seine Stimme hatte mutig, tapfer und sicher gewirkt.
    Das Klatschen hörte auf. „Jack?“
    Das Echo seines Namens verstummte. „Ja, Véronique?“
    Die Zeit stand still wie ein angehaltenes Pendel. „Hast du Angst?“
    Jack blieb stehen, sein Herz hämmerte gegen seine Rippen und er konnte kaum atmen. Aber er lachte. Er konnte nicht anders. So groß seine Angst auch war und so sehr seine Hände auch zitterten, er musste trotzdem lachen. „Ein bisschen. Und du?“
    „Nein, jetzt nicht mehr, seit ich deine Stimme hören kann.“
    Ihre Stimme war sehr nahe. Sie war jetzt nur noch wenige Meter von ihm entfernt, und der Gestank war

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