Land der Sehnsucht (German Edition)
ungehinderten Blick auf den Bach. Sie könnte sich nirgends verstecken. Sie schaute ihn an und sah, dass ein bedächtiges Grinsen seine Mundwinkel nach oben zog. Dieser Racaille! Er konnte ihre Gedanken sicher genauso leicht lesen wie sie seine.
„Ich baue dir eine Schutzwand auf.“ Er holte eine Decke unter der Sitzbank hervor. „Auf diese Weise sieht dich niemand von der Straße her. Aber falls irgendwelche Eichhörnchen oder Präriehunde sich vom anderen Ufer aus anschleichen, kann ich nichts dafür.“
„Merci, Jack. Das ist sehr nett von dir.“ Sie nahm ihre Tasche, zögerte dann jedoch, als sie begriff, was sie getan hatte. Besser gesagt, was sie nicht getan hatte.
„Was ist?“
Bei ihren früheren Fahrten hatte sie wenigstens Ersatzunterwäsche dabei gehabt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sie sich entschieden hatte, nicht so viel einzupacken … „Ich habe nichts anderes anzuziehen.“
Er überlegte. „Dann bleibt dir leider keine große Wahl.“ Er nahm die Brechstange, brach zwei Kisten auf und zog ein Bergarbeiterhemd und eine Latzhose heraus.
Sie wich einen Schritt zurück. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Doch, es sei denn, du willst dich den ganzen Tag darin einwickeln.“ Er hielt mit der anderen Hand die Decke hoch.
Sie nahm das Hemd und die Latzhose und nahm sich fest vor, nie wieder irgendwohin zu fahren, ohne Kleidung zum Wechseln dabei zu haben. Und sie strich „leichtes Gepäck“ aus ihrem Wortschatz. „Ich habe Seife in meiner Tasche. Und Parfüm.“
Jack stellte ihre Tasche auf den Boden und öffnete sie für sie. Als sie näher trat, rümpfte er die Nase und zwinkerte: „Ich hoffe, du hast von beidem genug dabei.“
* * *
Véronique trat hinter den Sichtschutz, den Jack für sie gebaut hatte, und wünschte, durch die Schlucht würde nicht ständig so ein kalter Wind wehen. Nicht nur, weil dann das Baden angenehmer wäre, denn der Bach war eiskalt vom Schmelzwasser aus den Bergen, sondern auch, damit ihr Sichtschutz hängen bliebe. Sie fürchtete, ein einziger kräftiger Windstoß würde den Blick auf sie im Wasser freigeben, und ihr letzter Funke Stolz wäre dahin.
Sie knöpfte ihre Bluse auf und legte sie beiseite. Dann schlüpfte sie aus ihrem Rock. Der Wind peitschte gegen die Decke und sie rechnete schon mit dem Schlimmsten. Aber Jacks Stöcke und Bänder hielten dem Wind stand und sie zog sich weiter aus, während sie das gegenüberliegende Ufer nach irgendwelchen Bewegungen absuchte.
Sie wusste mit Sicherheit, dass Jack Brennan sie nicht heimlich beobachten würde. Aber sie hatte das starke Gefühl, dass er dennoch versucht war. Als er sie vorhin in der Höhle versehentlich berührt hatte, war sie erstaunt gewesen, aber nicht beleidigt. Es war schließlich dunkel gewesen, und er hatte es nicht mit Absicht getan.
Während ihre Kleidung neben ihr auf einem ordentlichen Haufen lag, nahm Véronique ihre Seife und das Handtuch, das Jack ihr aus den Warenlieferungen gegeben hatte, und ging die drei Schritte zum Bach. Jack hatte die Decke an einer Stelle des Baches aufgespannt, die tiefer war als der Rest. Trotzdem konnte sie hier nicht mit ihrem ganzen Körper eintauchen.
Sie benetzte sich mit dem eiskalten Wasser, seifte sich ein und schrubbte kräftig. Dann roch sie an ihren Händen und Armen, seifte sich wieder ein und ließ die Seife einwirken. Sie wusch sich zweimal die Haare, bis ihre Finger vor Kälte schmerzten. Mit einem Trinkbecher aus Jacks Wagen goss sie sauberes Wasser über ihre Schultern, Arme und Beine.
Solange sie über den Bach gebeugt war, stand sie in der Sonne, aber als sie wieder heraustrat, um sich anzuziehen, war die Luft eiskalt. Sie trocknete sich schnell ab und nahm das Bergarbeiterhemd. Es war riesig, und sie hatte nichts, was sie darunter oder unter der Latzhose anziehen konnte. Sie bückte sich, um ihr Unterhemd aufzuheben, ließ es dann aber mit gerümpfter Nase sofort wieder fallen. Das kam nicht in Frage.
Sie schlüpfte in das Hemd und fühlte sofort seine Wärme. Es reichte ihr bis über die Knie und war dicker, als sie erwartet hatte. Die Latzhose war jedoch eine ganz andere Sache. Das Material war angenehm, aber selbst wenn sie das Band um ihren Bauch enger zog, war die Hose viel zu lang für sie. Sie zog die Hosenbeine nach oben, hielt sie fest und begann wieder zum Wagen hinaufzusteigen.
Jack entfernte gerade das kaputte Rad vom Wagen, als er sie erblickte. Er hielt in seinen Bewegungen inne.
Véronique wandte den
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