Land der Sehnsucht (German Edition)
diesen Eindruck von ihrem Vater vermittelt hatte. „Nein, Madam, bestimmt nicht. Und doch hat mein Vater am Ende seine Versprechen nicht gehalten.“
„Oh, das bestreite ich nicht, meine Liebe. Das hat die Zeit leider erwiesen. Ich will damit nur sagen, dass Menschen manchmal die besten Absichten haben und dass sie dann etwas von ihrem geplanten Weg abbringt.“ Miss Maudie sah sie ernst an. „Das heißt nicht, dass sie in ihrem Herzen schlechte Menschen wären. Sie kommen einfach vom Weg ab.“ Sie hielt ihr die Hand hin. „Darf ich?“
„Aber natürlich.“ Véronique reichte ihr den Brief.
Miss Maudie hielt ihn sich nahe vors Gesicht. „Ihr Vater hat eine schöne Handschrift, besonders für einen Mann. Selbst wenn ich die Sprache nicht verstehe.“ Sie grinste Véronique an. „Die meisten Männer, die ich kenne, legen nicht viel Wert auf diese Fähigkeit. Würden Sie mir noch einen vorlesen?“
„Gern, aber darf ich Ihnen vorher etwas zu trinken holen? Oder vielleicht etwas zu essen?“ Während sie auf Miss Maudies Antwort wartete, fiel Véronique plötzlich ein, dass sie ihr die Zeichnung von der Familie Jennings noch gar nicht gegeben hatte. Sie bückte sich zu ihrer Tasche hinab und holte das Pergament heraus.
„Miss Maudie, das hätte ich fast vergessen. Ich habe etwas für Sie. Ein Geschenk. Ich habe das Bild auf die Bitte von lieben Freunden hin gezeichnet. Von lieben Freunden, die Ihnen gut bekannt sind.“ Sie drehte das Blatt herum.
Miss Maudie hielt es nahe vor sich. „Oh, das ist ja mein lieber William! Und meine Katie! Schauen Sie nur, wie sie gewachsen sind!“ Ihre Hand fuhr zitternd an ihren Mund. „Und ihre lieben Eltern. Aber sagen Sie mir, wie haben Sie sie kennengelernt?“
Véronique erzählte von jenem Gewitterabend und von der Gastfreundschaft der Familie Jennings.
Miss Maudie hörte ihr aufmerksam zu, ohne den Blick von dem Bild abzuwenden. „Haben Ihre Talente denn überhaupt keine Grenzen, meine Liebe? Wie kann ich Ihnen dafür nur danken?“
Véronique strahlte, nicht nur über Miss Maudies Reaktion, sondern auch, weil sie so schnell wieder in die vertraute Rolle der Gesellschafterin gerutscht war und Miss Maudies Anwesenheit so sehr genoss. Jack hatte damit recht gehabt, dass es ihr guttun würde, hierher zu kommen, auch wenn er das nicht zu wissen brauchte.
Ein leichtes Lächeln legte sich um ihren Mund, als sie daran dachte, dass sie ihm bei der ersten Gelegenheit für den guten Vorschlag danken würde. „Und jetzt, Miss Maudie, soll ich Ihnen etwas zu essen holen? Oder etwas zu trinken?“
„Das wäre sehr nett, Miss Girard, aber ich würde gern mitkommen, wenn Sie nichts dagegen haben.“ Miss Maudie deutete zum Rollstuhl.
Mit weniger Anstrengung, als sie erwartet hatte, setzte Véronique die Frau in den Rollstuhl und legte eine Decke um ihre Beine.
Miss Maudie hielt ihre Hand fest. Ein verschmitzter Blick lag in den Augen der Frau. „Ich hatte vor einer Weile Besuch, und wir gingen draußen spazieren. Aber als dieser Besuch hier war, brauchte ich diesen Rollstuhl nicht, das kann ich Ihnen sagen. Er hat mich einfach auf die Arme genommen und hinausgetragen. Und wir haben uns lange unterhalten. Das war sehr angenehm.“ Mit einem tiefen Seufzen fächerte sich Miss Maudie übertrieben Luft zu. „Er war ein sehr gut aussehender Mann und in seiner Brust schlägt ein sehr gutes Herz.“ Sie zog Véronique an sich heran und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Und seine Brust ist sehr breit und muskulös, wenn ich das so sagen darf.“
„Miss Maudie!“ Véronique klopfte ihr im Scherz leicht auf die Hand, da sie sehr schnell verstanden hatte, auf wen die Frau anspielte und dass sie sie ein wenig aufziehen wollte. „Darf ich fragen, worüber Sie und … dieser Herr sich bei Ihrem Spaziergang unterhalten haben?“
„Natürlich dürfen Sie fragen, meine Liebe. Ich werde es Ihnen nicht verraten, aber fragen können Sie gern.“
* * *
Als sie eine Weile später neben Miss Maudies Rollstuhl unter dem angenehmen Schatten einer Pappel saß, las Véronique den nächsten Brief zu Ende und steckte ihn dann wieder in seinen Umschlag zurück.
„Das war sehr nett, Miss Girard. Ihr Vater beschreibt das, was er auf seinen Reisen sieht, so schön … Es ist, als wäre man mit ihm dort und würde alles mit eigenen Augen sehen. Und wie er von dieser Lawine berichtet.“ Sie rieb sich die Arme, als hätte sie eine Gänsehaut. „Ich war sicher, dass es hier
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