Land der Sehnsucht (German Edition)
mir nach Casaroja. Miss Maudie erwartet mich zu meinem Mittwochsbesuch.“ Sie schrieb den Bankwechsel über die Summe aus, der in Mrs Hochstetlers Nachricht stand, und schob ihn über das Empfangspult. „Ich bin dir so dankbar.“
Lilly schaute den Bankwechsel an und hob dann langsam den Kopf. „Und ich bin Ihnen dankbar, Mademoiselle Girard. Und auch meine Eltern.“
Erst gestern waren Pfarrer Carlson und seine Frau zum Hotel gekommen und hatten ihr erklärt, dass sie gemeinsam entschieden hätten, Lilly operieren zu lassen. Véronique war ganz aufgeregt. „Lilly, du brauchst dich dafür nicht ständig bei mir zu bedanken. Ich mache das gern. Und deine Eltern scheinen auch glücklich zu sein, nicht wahr?“
„Ja, Madam. Das sind sie. Dr. Hadley war gestern Abend bei uns und hat uns noch viele Fragen beantwortet.“
Als sie das hörte, wurde Véronique neugierig. „Und was hat Dr. Hadley gesagt?“
„Ach, nichts, das wir nicht schon vorher gehört hätten. Er sagte nur, dass er sich vergewissern will, dass wir die Risiken verstanden haben.“ Lilly brach ab und schob sich eine dunkle Locke hinters Ohr. „Aber ich weiß nicht …“
„Was, ma Chérie?“
„Ich habe das Gefühl, dass Mama nicht wirklich will, dass ich das mache. Dass sie nur zustimmt, weil ich es will. Bei meinem Vater kann ich das nicht genau sagen. Er sagt, dass wir so viel darüber gesprochen haben, und dass jetzt Gott gesprochen hat – durch Ihr freundliches Angebot – und dass wir darauf hören sollten.“
Véronique lächelte. „Dein Papa ist ein weiser Mann, Lilly. Und deine Mutter liebt dich grenzenlos. Sie will nur dein Bestes, das weiß ich ganz bestimmt.“
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, musste Véronique an Jacks Frage denken, die er ihr an dem Abend gestellt hatte, an dem sie ihm den Brief von ihrer Mutter vorgelesen hatte. Seine Sanftheit und sein Einfühlungsvermögen bedeuteten ihr sehr viel. Sie wusste, dass ihre Mutter ihre Entscheidung aus Liebe getroffen hatte. Daran hatte sie trotz allem keinen Zweifel.
Aber was diese Entscheidung sie gekostet hatte, das würde Véronique so schnell nicht vergessen. Und sie könnte es auch nicht so leicht vergeben.
* * *
Der Knall des Gewehrs hallte östlich von Casaroja über die Prärie und der Holzeimer flog von dem ungefähr zehn Meter entfernten Felsen.
Jacks Blick wanderte von Véronique zu dem Eimer und dann wieder zu ihr zurück. Ihr schwaches Lächeln verriet, dass sie genau wusste, wie gut sie geschossen hatte. Aber sie sagte nichts.
Sie war ein Naturtalent mit der Winchester. Er hatte so etwas schon geahnt, nachdem er gesehen hatte, wie sie mit dem Revolver umgegangen war, aber heute Abend schien sie noch etwas anderes zu beschäftigen. Unterschwellige Gefühle waren da, die ihren Wunsch, diesen Eimer zu treffen, verstärkten.
Vielleicht hatte es mit dem Brief von ihrer Mutter zu tun. Sie hatte nichts mehr dazu gesagt, seit sie ihm den Brief in ihrem Hotelzimmer vorgelesen hatte, aber er spürte eine deutliche Unruhe in ihr. Eine Wut – und eine Enttäuschung –, mit der sie nicht richtig umgehen konnte.
Als sie ihn gebeten hatte, sie auf Casaroja zu begleiten, um Miss Maudie zu besuchen, hatte er gern eingewilligt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er heute Abend ein wenig Zeit mit ihr allein verbringen könnte, deshalb genoss er diese unerwartete Freude. Sie schien sich ebenfalls zu freuen, in seiner Gesellschaft zu sein, was ihn noch glücklicher machte.
Er betrachtete sie. „Und du bist sicher, dass du bis zu dem Morgen, an dem ich dich das erste Mal mitgenommen habe, noch nie geschossen hast?“
„Ich bin mir ganz sicher, Jack. Aber danke für das Kompliment. Ich habe einen guten Lehrer, nicht wahr?“ Sie ließ das Gewehr sinken und lud es genauso, wie er es sie gelehrt hatte.
Ihr ruhiger Umgang mit der Schusswaffe stand im krassen Gegensatz zu dem blauen Seidenkleid, das sie trug. „Ich habe dein Gewehr jetzt lang genug mit Beschlag belegt, Jack. Möchtest du auch schießen?“
Er sah ihr direkt in die Augen und erwiderte bestimmt: „Ich tue genau das, wozu ich heute hierhergekommen bin!“
Sie lachte. „Um mir beim Schießen zuzuschauen?“
„Um mit dir zusammen zu sein. Dabei ist es mir gleichgültig, was wir machen.“
Ihr Lächeln wurde weicher und in ihren Blick trat ein fast zärtlicher Ausdruck.
Sein Blick wanderte über ihr elegantes Kleid. Es zeigte nicht zu viel, es war keineswegs unanständig, nein – aber die
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