Land der Sehnsucht (German Edition)
aufzufallen. Bei den Marchands zu wohnen und mit ihnen auf Reisen zu gehen bedeutete, dass man jedes Mal, wenn man aus der Tür trat oder wenn jemand eintrat, beobachtet wurde.
Als ihre Gedanken zu Jack wanderten, der in den Bergen unterwegs war, wünschte sie, sie hätte ihn heute Morgen begleiten können. Aber zum ersten Mal hatte sie nicht wie zuvor so oft das beunruhigende Gefühl, zurückgelassen zu werden.
Sie freute sich auf seine Rückkehr am nächsten Dienstag. Sie planten bereits, nach Casaroja zu fahren und den Nachmittag und Abend bei Miss Maudie zu verbringen. Jack hatte deshalb ziemlich geheimnisvoll getan, und sie hatte Miss Maudie bei ihrem letzten Besuch mit ihren neugierigen Fragen gelöchert. Aber die Frau konnte verschwiegen sein, wenn sie wollte.
Véronique fühlte, dass jemand kräftig an ihrer Turnüre zog, und drehte sich um. Eine Frau und ein Kind standen hinter ihr in der Schlange.
„Entschuldigen Sie bitte, Miss.“ Die Frau bedachte das kleine Mädchen, das versuchte, sich in den Falten ihres Rocks zu verstecken, mit einem strengen Blick. „Meine Tochter lässt Ihr Kleid nicht aus den Augen, seit wir den Laden betreten haben. Es ist sehr hübsch, wenn ich das sagen darf.“
„Danke, Madame. Ihre liebe Tochter hat nichts Schlimmes gemacht.“ Véronique strich mit der Hand über die pflaumenfarbene Jacke und den Rock und erinnerte sich an den Abend, an dem sie diese Sachen das erste Mal getragen hatte. Zu einer Gebetswache in der Kathedrale Notre Dame mit Christophe. Ach, wie sehr wünschte sie sich, dass Christophe ihr schreiben und ihr versichern würde, dass es ihm und Monsieur Marchand gut ging.
„Ich bin Susanna Rawlings, und das ist Jenny, meine jüngste Tochter. Mir gehört die Bäckerei hier in der Stadt.“
Véronique machte einen Knicks. „Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Madame Rawlings, und auch die Ihrer Tochter. Mein Name ist Mademoiselle Véronique Girard.“
„Oh, ich weiß, wer Sie sind, Miss Girard. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Willow Springs jemanden gibt, der das nicht weiß.“
Als sie nach unten schaute, bemerkte Véronique den faszinierten Ausdruck im rundlichen Gesicht des Mädchens. Sie bückte sich, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, aber das dunkelhaarige Kind versteckte sich wieder hinter dem Rock seiner Mutter.
„Ma Chérie, möchtest du vielleicht die Blumen berühren?“ Véronique sprach leise und fuhr mit einem Finger über die Applikationen auf ihrer Jacke. „Sie sind aus Samt und sie sind sehr weich.“
Das Kind lugte zu seiner Mutter hinauf, die zustimmend nickte. Die kleine Jenny tat einen vorsichtigen Schritt auf Véronique zu. Dann streckte sie ihre winzige Hand aus und berührte vorsichtig eine der Blumen und kicherte.
Véronique lächelte und wollte sie schon ermutigen, sie noch einmal zu berühren, als sie Madame Hochstetler in der Nähe entdeckte. Wenn sie den Gesichtsausdruck der Frau richtig deutete, hatte sie heute keinen guten Tag. Véronique wünschte der Frau nichts Schlimmes – wenigstens keine ernste Krankheit, eine kleinere würde genügen –, solange jemand anders sie bedienen würde, wenn sie an die Reihe käme.
Sie unterdrückte bei diesem unanständigen Gedanken ein Kichern und schalt sich im Stillen. Sie wurde diesen Amerikanern mit jedem Tag ähnlicher!
Madame Hochstetlers Blick fiel auf sie, und sie kniff die Augen zusammen.
Die Kolonialwarenladenbesitzerin drängte sich durch den Gang in Véroniques Richtung. Der finstere Blick in ihrem Gesicht verhieß nichts Gutes.
Falls Madame Hochstetler ihr sagen wollte, dass ihre Farben immer noch nicht da seien, müsste Véronique etwas bestimmter auftreten. Diese Frau hatte ihr bei der Bestellung solche Schwierigkeiten gemacht, und Véronique hatte die Rechnung schon vollständig bezahlt.
Madame Hochstetlers Gesicht nahm eine noch dunklere Röte an als die Schürze, die sie trug, und für Véronique stand es jetzt außer Frage, dass sie das Ziel von Madame Hochstetlers Zorn war.
„Miss Girard!“
Verblüfft trat Véronique einen Schritt zurück. „Madame Hochstetler, guten Tag. Ich bin hier, um mich zu erkundigen, ob …“
„Habe ich Ihnen nicht erklärt, dass diese ganzen teuren Farben, die Sie bestellt haben, eine Sonderbestellung waren und nicht zurückgegeben werden können?“ Die Frau stemmte die Hände in ihre Hüften und trat viel näher an sie heran, als sich ziemte oder als nötig war.
Das Stimmengewirr im
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