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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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Magen liegt, wenn man schläft, und dass der Schmerz fast immer das Antlitz eines Mannes hat.
    Für sie hatte der Schmerz die Züge von Angelo Santo angenommen.

    Virginia und Angelo hatten sich auf dem kleinen Platz vor der Kirche San Rocco kennengelernt. Nachdem er sie ein paar Tage lang beobachtet hatte, wie sie vorbeiging, blond und mit wiegenden Hüften, hatte er beschlossen, dass er diese Frau haben wollte, und sie, wie es damals unter den jungen Männern so üblich war, einfach angehalten und gefragt, ob er sie zu einem Kaffee oder einem Likör einladen dürfe. Obwohl Angelo Santo schon seit geraumer Zeit kein junger Mann mehr war und auch sie bereits auf die vierzig zuschritt, war sie auf sein Angebot eingegangen, und nach weniger als einer Woche des Umwerbens wurden die beiden ein Liebespaar.
    Virginia hatte immer gedacht, dass jeder Mensch in seinem Leben von einem Meer aus Missgeschick und Leid umspült wird, das von allen Seiten über ihn hereinschwappt und ihn schließlich auf seinen Wellen mit sich fortträgt. Und jeder, davon war sie überzeugt, versucht auf seine Weise, ob im Großen oder im Kleinen, den Kopf über Wasser zu halten und nicht unterzugehen. Ab und zu schwimmt dann ein rettendes Floß vorbei, das Floß des Glücks, das man mit beiden Händen packen muss, denn lange wird man das Floß nicht halten können, sonst schwimmt es weiter und bleibt nur noch eine unscharfe Erinnerung, während um den Gekenterten erneut der Sturm tobt. Virginia hatte jenes Floß des Glücks noch kein einziges Mal vorbeischwimmen sehen. Und so hatte sie notgedrungen schwimmen gelernt und sich bislang auch aus eigenen Kräften über Wasser gehalten.
    Bis ihr Angelo begegnete.
    In jenen Jahren, bevor ein Zufall dazu führte, dass ihre Geschichte von Fatima und Candelora aufgedeckt und der
Gutshof für sie zu verbotenem Terrain wurde, genoss es Virginia, jenes Haus betreten zu können, obwohl es nur einmal in der Woche war, und auch dann nur heimlich. Sie mochte es, die Dinge dort zu berühren, ihren Geruch zu erschnuppern und über die Laken zu streichen, in denen der schlief, den sie insgeheim zärtlich »mein Mann« nannte. Vielleicht würde ja, wenn sie das alles wirklich und greifbar machte, indem sie Orte und Menschen mit den Werkzeugen wahrer Erfahrung und nicht nur mit denen der Fantasie ertastete, jene Art von bösem Zauber, von Verhextheit, die sie quälte und an jenen Mann kettete, einfach verschwinden, zumindest schien es ihr so, und sie würde endlich wieder in die wirkliche Welt zurückgeschleudert wie mit einem Katapult. Auch wenn ihr Schicksal in jener wirklichen Welt, und das wusste Virginia, gewiss nicht weniger unglücklich gewesen wäre. All das hatte sie von Anfang an begriffen, von jenem ersten Mal an, für das sie sich später ebenso verfluchen würde wie der Herrgott selbst, als Angelo sie zu Hause besucht und sie dort auf dem gekachelten Küchenboden genommen hatte. In ebenjener Küche, in der sich viele Jahre später der Diebstahl des Stockfischs abspielen würde. Weder hatte er vorher um Erlaubnis gefragt noch hinterher um Verzeihung gebeten. So wie es die Herren mit ihren Untergebenen eben tun, die Schäfer mit ihren Schafen, die Katzen mit dem Stockfisch, oder ebenjene wohlhabenden Männer, die, weil sie wissen, dass sie von Natur aus nicht besonders anziehend sind, meinen, sie hätten keine andere Möglichkeit, sich das zu nehmen, was sie wollen, als mit einer gewissen Form von Gewalt. So hatte sich Angelo Santo bei jenem ersten Mal ihrer bemächtigt. Mit Gewalt. Danach nur ein paar
ausdruckslose Worte: »Bild dir bloß nichts ein. Wenn meine Schwestern da sind, lässt du dich auf Terranera nicht blicken. Du existierst gar nicht.« Worte, die Virginia überraschten, noch bevor sie ihre Gefühle verletzten, denn sie schienen ihr vollkommen fehl am Platz zu sein, da sie sich von einem Mann, der gesellschaftlich so viel höher stand als sie, sowieso nichts erwartet hatte. Und wenngleich für Virginia selbst völlig unglaublich, war es doch ausgerechnet jene brutale Art, zuerst in Taten und dann in Worten, gewesen, die zärtliche Gefühle in ihr weckte. Was für Beweggründe mochte ein so reicher Mann haben, sich mit Gewalt etwas zu nehmen, das er doch ebenso gut mit einer schlichten Bitte hätte erreichen können? Kraft ihrer ganzen Lebenserfahrung hatte sie den finsteren Boden jenes Mannes erspürt, jenen Bereich der Seele, der bei manchen Menschen ganz verschlossen ist und in dem nur

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