Lawinenexpreß
Präsident nur wenige Tage nach dem Ende der Manöver damit, daß er riesige Truppenverstärkungen nach Europa schickt…«
»Entschuldigen Sie«, unterbrach Sedow, »aber mir ist nicht klar, worauf Sie hinauswollen. Könnten Sie vielleicht zur Sache kommen?«
»Nur jemand, der regelmäßig an diesem Tisch sitzt, hat Moynihan informieren können.«
Nachdem Pratschko seine Bombe hatte detonieren lassen, setzte er sich wieder hin. Dann brach ein Tumult los.
»Das ist beleidigend, verrückt«, protestierte Anatolij Sarubin.
»Sie gehen tatsächlich zu weit«, bemerkte Pawel Suslow, der schmalgesichtige Parteitheoretiker. Er hatte ebenso wie Sarubin und Marenkow an dem Empfang in der amerikanischen Botschaft in Prag vor mehr als einem Jahr teilgenommen, als die erste Kassette Matt Leroy in die Tasche geschmuggelt worden war. Die Anwesenheit dieses stillen Mannes war bisher fast unbemerkt geblieben. Sedow, der sein halbes Leben damit zugebracht hatte, zwischen ›Tauben‹ und ›Falken‹ das Gleichgewicht zu wahren, ging wieder dazwischen.
»Sie werden weit mehr Beweise brauchen, um zu erhärten, was Sie soeben behauptet haben«, sagte er finster.
»Hier sind sie.« Pratschko zog einen dicken Packen Papiere aus seinem Ordner. »Scharpinsky hat eine akribisch genaue Untersuchung unserer Aktionen und der amerikanischen Reaktionen des vergangenen Jahres vorgenommen. Immer wieder hat Moynihan unsere Schachzüge konterkariert. Es steht alles hier und läßt nur den einzigen Schluß zu – daß es einen Informanten auf höchster Ebene gibt…«
General Marenkow beugte sich vor. »Ich habe den Bericht gelesen«, sagte er abrupt. »Ich finde ihn nicht nur beunruhigend – ich finde ihn überzeugend. Ich schlage vor, daß wir sofort eine Untersuchungskommission einsetzen, um Licht in diese Angelegenheit zu bringen – sie sollte vom Ersten Sekretär, mir selbst und Marschall Pratschko geleitet werden…«
»Wir sollten alle Gelegenheit haben, diesen Bericht zu lesen«, schnauzte Sarubin.
Sedow mischte sich zum drittenmal ein. »Ich schlage vor, wir stimmen über den Antrag General Marenkows ab…«
Marenkows Vorschlag wurde mit knapper Mehrheit angenommen. Die Sitzung wurde in einiger Konfusion beendet, und die Politbüromitglieder diskutierten noch heftig, als sie den Raum verließen. Nur drei Männer blieben zurück – Leonid Sedow, Marschall Pratschko und General Marenkow. Die Treibjagd auf Angelo hatte begonnen.
5. Montreal
»Diesmal wünsche ich, daß ihr mit größter Umsicht vorgeht – der Sparta-Ring wird uns bald um die Ohren fliegen. Ich rieche förmlich, daß Ärger auf uns zukommt«, fuhr Julian Haller fort, als er Wargrave und Elsa in dem an William Rivertons Büro angrenzenden Raum im Baton Rouge Building vor den Gefahren warnte.
Es war Montag, der 3. Januar. Am Mittwoch, dem 5. Januar, würden sie wieder einmal in der Schweiz sein, um die dreizehnte Kassette von Angelo abzuholen. Elsa Lang war überzeugt, daß es das Wetter war, das Haller deprimierte. Europa stöhnte jetzt unter dem schlimmsten Winter seit vierzig Jahren. Überall tobten Schneestürme, und ein Flughafen nach dem anderen wurde geschlossen. Sie versuchte, mit ein paar Scherzen die düstere Laune des Amerikaners zu heben.
»Unglückszahl Dreizehn? Ich wußte gar nicht, daß du abergläubisch bist, Julian. Und dabei bist du Agnostiker – du solltest dich schämen…«
»Wenn du mit deiner jetzigen Stimmung rüberfliegst, fällst du platt auf den Bauch«, fauchte Haller. Der Ausbruch tat ihm leid, als er Elsas Gesichtsausdruck sah. »Sieh mal, ich bin seit sehr, sehr langer Zeit in diesem Spiel. Ich spüre, wann ein Unternehmen, das monatelang gut gelaufen ist, gefährdet sein kann.«
»Damit hat er nicht unrecht, Elsa«, sagte Wargrave warnend. »Diese beiden KGB-Typen, die in Basel aufgekreuzt sind, waren kein gutes Omen…«
»Matt hat sie erledigt«, brauste Elsa auf. »Wir haben von Anfang an gewußt, daß es nicht leicht werden würde…«
»Ich bewundere deinen Kampfgeist«, sagte Haller leise. »Ich habe aber noch mehr Berichte darüber erhalten, daß Marenkow die Moskauer Bahnhöfe auch weiterhin im Auge behält – und der Bursche ist ein hartgesottener, sehr cleverer Profi. Der hat irgendeine Fährte aufgenommen.« Er beugte sich über den Schreibtisch und sprach mit großem Nachdruck. »Er hat das Ende eines Fadens in der Hand und spult das Knäuel auf, bis er etwas findet. Wir sitzen zwar mehr als
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