Lebens-Mittel
nicht nur eine Metapher; die Vorstellung, sich an sie zu gewöhnen, ebenso wenig. Damit die natürliche Selektion uns bei der Gewöhnung an die westliche Ernährung hilft, müssen wir bereit sein, diejenigen, die sie krank macht, sterben zu lassen. Viele der chronischen Krankheiten, die von der westlichen Ernährung verursacht werden, treten außerdem in den späteren Lebensjahren auf, nach dem gebärfähigen Alter, das heißt einer Lebensphase, an der die natürliche Selektion kein Interesse hat. So werden die Gene, die Menschen für diese Beschwerden prädisponieren, weitergegeben und nicht ausgemerzt.
Also erwarten wir unsere Rettung von der Gesundheitsindustrie. Die Medizin lernt, Menschen am Leben zu erhalten, die die westliche Ernährung krank gemacht hat. Die Ärzte sind wirklich gut darin geworden, Herzkranke am Leben zu halten, und jetzt arbeiten sie intensiv an Fettleibigkeit und Diabetes. Als sehr viel anpassungsfähiger als der menschliche Körper hat sich tatsächlich der Kapitalismus erwiesen: Er verwandelt die von ihm geschaffenen Probleme in neue Chancen zum Geschäftemachen: Diätpillen, Bypassoperationen, Insulinpumpen, Adipositas-Chirurgie. Aber obwohl Fastfood ein gutes Geschäft für die Gesundheitsindustrie sein mag, können die Kosten für die Gesellschaft – geschätzte 250 Milliarden Dollar pro Jahr für ernährungsbedingte Gesundheitsversorgungskosten, Tendenz rapide steigend – nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. Ein im Jahr 2000 geborener Amerikaner hat eine Chance von eins zu drei, in seinem Leben Diabetes zu bekommen; für einen Hispano- oder Afroamerikaner ist das Risiko noch höher. Die Diagnose »Diabetes« verkürzt das Leben um rund zwölf Jahre, das Leben mit der Krankheit verursacht medizinische Kosten in Höhe von 13 000 Dollar pro Jahr (2500 Dollar bei Nichtdiabetikern).
Hier entsteht eine globale Pandemie, aber eine sehr merkwürdige, denn weder Viren noch Bakterien, noch Mikroben sind an ihr beteiligt – nur unser Essverhalten. Es bleibt abzuwarten, ob wir reagieren, indem wir unsere Ernährung oder unsere Kultur und unsere Ökonomie ändern. Obwohl schätzungsweise 80 Prozent der Typ-2-Diabetes-Fälle durch eine Ernährungsumstellung und Bewegung verhindert werden könnten, sieht es eher so aus, als wäre das schlaue Geld mit der Schaffung einer großen neuen Diabetesindustrie beschäftigt. Die Mainstream-Medien sind voll von Werbung für neue Geräte und Arzneien für Diabetiker, und die Gesundheitsindustrie legt einen Gang zu, um die steigende Nachfrage nach Bypassoperationen (80 Prozent der Diabetiker werden unter Herzkrankheiten leiden), Dialysen und Nierentransplantationen zu befriedigen. An der Supermarktkasse können Sie ein neues Lifestyle-Magazin über das Leben mit Diabetes durchblättern. Diabetes ist auf dem besten Weg, im Westen zu etwas Normalem zu werden – anerkannt als ganz neuer demografischer Faktor und daher eine super Marketingchance. Offenbar ist es einfacher – oder zumindest sehr viel einträglicher -, eine Zivilisationskrankheit in einen Lebensstil zu verwandeln, als die Essgewohnheiten dieser Zivilisation zu verändern.
III
Den Nutritionismus überwinden
1
Der westlichen Ernährung entkommen
Der Sog des Nutritionismus ist stark, und mehr als einmal fühlte ich mich auf den letzten Seiten von ihm in die Tiefe gezogen. Sicher haben Sie bemerkt, dass ein Großteil der hier vorgestellten Ernährungswissenschaft als reduktionistische Wissenschaft zu bezeichnen ist, denn ich habe mich auf einzelne Nährstoffe (zum Beispiel bestimmte Fette, Kohlenhydrate oder Antioxidanzien) konzentriert statt auf vollständige Lebensmittel oder Ernährungsmuster. Ich bekenne mich schuldig. Aber wenn man herausfinden will, was mit der westlichen Ernährung nicht stimmt, ist die Verwendung dieser Art von Wissenschaft wahrscheinlich unvermeidlich. Sie ist zwar unvollkommen, aber trotzdem das schärfste Versuchs- und Erklärungsinstrument, das wir haben. Und sie befriedigt unser Verlangen nach einer einfachen, auf einen einzigen Nährstoff ausgerichteten Erklärung. Aber es ist eine Sache, solche Erklärungen heranzuziehen, und eine ganz andere, sie fälschlich für die ganze Wahrheit zu halten und sich von ihnen das eigene Essverhalten diktieren zu lassen.
Sicher ist Ihnen auch aufgefallen, dass viele der Theorien, die erklären sollen, was denn nun definitiv in der westlichen Ernährung für die Zivilisationskrankheiten verantwortlich ist,
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