Lebensbilder II (German Edition)
und obendrein beklagt Ihr Euch über unsern Leichtsinn. – Der Herr wirft seinen Sklaven seine Sklaverei vor; wie ungerecht!«
»Nun seien Sie nicht böse!« rief Martial, »vergeben Sie mir! Ich bitte Sie darum. Sehen Sie nur, ich denke nicht mehr an die Soulanges.«
»Sie sind wert, daß ich Sie zu ihr sende.«
»Ich gehorche,« sprach lächelnd der Baron, »aber ich kehre zurück, mehr als je von Ihren Reizen eingenommen, und Sie sollen einen Beweis haben, daß es der schönsten Frau auf Erden nicht gelingt, ein Herz zu erobern, welches Ihnen gehört.«
»Warum sagen Sie nicht, daß Sie das Pferd des Obrist zu gewinnen Lust haben?«
»Der Verräter!« rief Martial, und drohte lächelnd dem Obrist, der eben hersah, mit dem Finger.
Der Obrist nahte sich. Martial räumte ihm seinen Sitz bei der Gräfin ein, der er mit sarkastischen Mienen sagte:
»Hier, Madame, steht ein Krieger, welcher sich rühmt, in einem einzigen Abend Ihr Herz zu erobern.«
Er entfernte sich sehr vergnügt, die Eigenliebe der Komtesse aufgeregt und die Angriffe des Obrist unschädlich gemacht zu haben. Aber trotz seines Scharfsinns, der ihn nie verließ, hatte er nicht erraten, woher alles das entsprungen war, was die Veaudremont ihm sagte, und noch viel weniger bemerkt, daß seine Geliebte seinem Freunde ebensoviel Schritte entgegen tat wie er ihr: freilich, ohne daß einer von beiden es wußte oder wollte.
Während sich der Staatssekretär in allerlei Wendungen dem blitzenden Kandelaber nahte, wo die Gräfin von Soulanges bleich und zitternd saß, daß nur ihre Blicke noch Leben verrieten, stürzte ihr Gatte in den Saal, mit wilden Mienen und Augen, die von Leidenschaft funkelten. Die alte Herzogin, deren Aufmerksamkeit nichts entging, eilte mit jugendlicher Schnelligkeit auf ihn zu, bat sich seinen Arm und seinen Wagen aus, unter dem Vorwande, daß sie tödliche Langeweile empfinde, in der geheimen Absicht aber, einem verdrießlichen Auftritte vorzubeugen. – Bevor sie ging, warf sie ihrer Nichte einen bedeutenden Blick zu, der zugleich auch dem kühnen Ritter galt, der sich allmählich ihr nahte. Wer sich auf die Sprache der Augen verstand, konnte in diesem Blicke lesen: da ist er, räche dich!
Die Veaudremont gewahrte diese Zeichen des geheimen Verständnisses zwischen Tante und Nichte. Ein plötzliches Licht ging in ihrer Seele auf; sie sah sich als Spielwerk einer intriganten, verschmitzten Dame und beschloß, auf ihrer Hut zu sein.
Sollte die Falsche wirklich, während sie mir soviel Moral predigte, nur im Sinne gehabt haben, mir einen Possen zu spielen? dachte sie.
Ihre Eigenliebe ward bei diesen Gedanken mehr noch als ihre Neugierde angeregt, den Faden dieser Intrige wollte sie auffinden, es koste, was es wolle. Ihre innere Unruhe raubte ihr nur allzuleicht die Herrschaft über sich selbst, und der Obrist, welcher die Befangenheit ihrer Bewegungen und Antworten zu seinem Vorteil auslegte, ward um so eifriger und dringender.
Auf solche Weise gewann der Abend mit jedem Augenblicke an interessanten und geheimnisvollen Auftritten. Die Gefühle des doppelten Liebespaares fingen an, jedem der Anwesenden merklich zu werden, und die Neugier malte sich in gar verschiedener Art auf allen Gesichtszügen.
Die alten Diplomaten, denen solche Szenen höchst willkommen waren, erinnerten sich keines Festes, das sie auf anziehendere Weise beschäftigt.
Endlich konnte sich der Baron Martial neben der Gräfin Soulanges niederlassen. Seine Augen ruhten entzückensvoll auf dem Schwanenhals, frisch wie der Morgentau und duftend wie liebliche Blumen. Die Schönheiten, die in der Ferne seine Verwunderung erregt, bewogen ihn in der Nähe zum Erstaunen. Er sah einen kleinen Fuß in dem allerzierlichsten Schuh, eine Taille, zart und anmutig. Damals trugen die Damen ihren Gürtel dicht unter der Brust, wie man es auf griechischen Statuen findet, eine freilich unvorteilhafte Tracht für manche, deren Wuchs hier mit dem ganzen übrigen Körper nicht harmonierte. Martial ließ seine verstohlenen Blicke auf ihren Busen schweifen, und die herrlichen Formen entzückten ihn, er war trunken von Hoffnungen und Freuden.
»Sie haben diesen Abend auch nicht ein einziges Mal getanzt,« hob er mit sanfter, schmeichlerischer Stimme an, «wahrlich, an einem Tänzer kann es Ihnen nicht fehlen.«
«Seit zwei Jahren besuche ich keine Gesellschaften mehr, ich bin hier unbekannt,« erwiderte die Gräfin kalt, denn sie hatte den Blick ihrer Tante wohl bemerkt, aber
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