Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
nach einem Eimer Heringsdip duften möchte, muss vorsorgen.
Hier helfen nur feuchte Tücher! Einmal den Schuh ummantelt, schon sind die wenigen Meter bis zum Keramikthron unfallfrei absolviert, auch wenn man dabei aussieht wie ein Pathologe aus dem »Tatort«. Dann folgt direkt der nächste kritische Punkt, der Türgriff der Klokabine. Dieser beherbergt mehr Bakterien als eine Schale Erdnüsse in einer Szenebar.
Doch nachdem man diesen hygienemäßigen Krisenherd überstanden hat und sich im Inneren der Kabine befindet, kommt die nächste Prüfung menschlicher Leidensfähigkeit: der Klopott des Todes. Bis zur Oberkante vollgeschissen, die Spülung hat schon vor Ewigkeiten den Dienst quittiert, eine abgefranste Klobürste liegt vorwurfsvoll zugestaubt in der Ecke. Ein vor den Mund gehaltenes Feuchttuch beruhigt hier den ersten Brechreiz, bevor man die Verrichtungsanstalt damit abreibt und sich erschöpft, aber keimfrei niederlässt.
Dosenkost
Die Verpflegung der meisten Jugendherbergen ist im besten Fall grenzwertig. Eigentlich kann man froh sein, wenn die in der Suppe schwimmende Taube bereits tot ist und man ihr nicht noch mithilfe des Esslöffels den Rest geben muss. Teilweise liegt das Unverständnis fremder Tischgewohnheiten in den bekannten kulturellen Differenzen (wer jemals eine britische Familie gesehen hat, wie sie zum Frühstück weiße Bohnen mit einem Stück Toast aufwischt, das schlimmer vor Fett trieft als Dieter Bohlens Frisur, weiß, was gemeint ist), aber oft ist es auch einfach so, dass das von der Schule festgelegte Budget der Klassenfahrt so knapp ist, dass man schon froh sein muss, wenn sich die Schüler ihre Nahrung nicht selbst jagen müssen.
Ebenso sollte man genauere Erkundigungen danach vermeiden, was denn nun genau zubereitet wurde. Als ich einmal beim Anstehen in der Kantine die sympathische Dame mit dem Haarnetz fragte, was denn genau in der Gemüsesuppe drin sei, antwortete sie mit unvergleichlicher Eloquenz: »Gemöse und Suppe, was ’n sonst?«
Beliebtes Notfallmittel jeder Jugendherberge sind Eintopf und Schnitzel. Eintopf beschreibt eigentlich schon schön, was damit gemeint ist: »Ein – Topf.« Was genau sich in diesem einen Topf befindet, hängt davon ab, was der Jugendherbergsleiter in den letzten Wochen so auf der Landstraße plattgefahren hat. Aber auch ganze Blumenkohlstrunke oder Kartoffelschalen lassen sich in einem Eintopf geradezu grandios verkochen, nach mehreren Stunden im Sud kann ohnehin keiner mehr die Ingredienzien identifizieren – und sollte das Gesundheitsamt doch einmal aufmerksam werden, ist das Problem meist gegessen, bevor es genau untersucht werden konnte.
Ebenso verhält es sich bei dem Geheimfavoriten aller Klassenfahrer, dem SCHNIPOMA-Menü.
Schnitzel-Pommes-Mayo, der unverwüstliche Konsens aller Schülermägen. Auch wenn das durchfrittierte Panadeteilchen eigentlich mit entsorgten Klinikverbänden und aufgekehrten Haaren aus dem Friseursalon gefüllt ist, lässt es sich nach dem Ölbad wunderbar abschlucken. Um es kindgerecht anzurichten, wird der Panierlappen in einer besonders hippen Form dargereicht, es sollen schon Gammelfleischklumpen in Form von Dinosauriern und Pferden gesehen worden sein. Eigentlich eine ähnliche Perversion wie Bärchenwurst, denn wenn man Fettreste, Klauen und Zähne von Tieren verarbeitet und danach ein fröhliches Bärengesicht draufdruckt, bleibt es trotzdem essbarer Müll.
Deshalb muss man als Schüler vorsorgen und aus der Palette an Convenience-Food eine ausreichende Menge bereithalten, um nicht schon nach ein paar Tagen skorbutbedingten Zahnausfall zu bekommen. Nitrogenglutamat, Hydroxinneutronat und Phosphatsäure sind nur ein paar der konservierenden Wunderstoffe, die Hersteller in die haltbare Konservenrotze rühren, damit die über Jahre von
McDonald’s
und Konsorten eintrainierten Geschmacksknospen der Schüler auch auf der richtigen Welle angefunkt werden. Beliebt ist auch eine Auswahl von möglichst preiswerten Jumbopackungen mit unverderblichem Knabberzeugs. Jeder Mensch mit Nase fürchtet besonders »würzige Zwiebelringe«, eine Leckerei, die kein Lebewesen außer einem Schülerkörper zu sich nehmen kann, und die riecht, als hätte man Omas abgeschabte Hornhaut von der Fußpflege frittiert.
Pflaster
Verletzungen sind fester Programmpunkt jeder Klassenfahrt, eigentlich sind die Lehrer schon froh, wenn ihnen nach ein paar Tagen statt der Schüler nicht ein einziger Haufen aus wundem Fleisch
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