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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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i ner düsteren, von Computern und Bildschirmen su m menden Zentrale.
    »Hi, Michel!«, sagte ein junger Mann von hinduk u schiger Schönheit. »Da bist du ja. Ich wollte gerade j e manden herunterrufen und nach dir schicken. Ich selbst kann ja hier nicht weg. Ich bin Abdul, Pakistan. How do you do?«
    Sein Händedruck war zart.
    »Ich hatte ein kleines Problem mit der Nasszelle im Biolab. Die Tür ließ sich nicht öffnen.«
    Abdul lächelte verständnislos. »Gail wird sich das a n schauen. Du solltest jetzt nach oben. Der Boss legt gr o ßen Wert darauf, dass beim Abendmeeting alle dabei sind. Außer demjenigen, der red li ne -Bereiche im Auge beha l ten muss.«
    »Was?«
    »Die Bereiche, deren Anzeigen nie nach oben oder un ten abweichen dürfen.«
    Freundlich zeigte er mir den Ausweg.
    Ich durchstieg im spinalen Treppenhaus die Stockwe r ke. Jedes roch anders. Der Luftaustausch bei geringer Schwerkraft war minimal, warme Luft stieg nicht nach oben, weil kalte nicht nach unten fiel. Damit wir beim Schlafen nicht in unseren Kohlendioxidblasen erstickten, gab es zwar das brummende und pfeifende Luftau s tauschsystem, zum Teil über Feuerwehrschläuche, aber es war lokal organisiert, sonst hätte der Luftzug durch die Module vermutlich Sturmstärke entwickelt. Zugig war es ohnehin schon. Im Basisdeck mit den Eingangsschle u sen, Werkzeugkammern und dem HHR, der Krankenst a tion, mischten sich Desinfektionsdämpfe mit Fitnes s schweiß, im Nutzlastendeck roch es nach Elektrizität und nach Schulzimmer, in dem eine Klasse Mathe gebüffelt hatte, und im crew quarters deck ballte sich Schla f schweiß und Waschtuchparfüm untermalt von einer Note Kot und Urin. Ich erklomm die letzte Treppe nach oben in die Cupola.
    Tja, was für ein Blick! Einfach irre! Zum die Seele Verlieren!
    Überm von schwarzen Schatten durchlöcherten Hor i zont stand die angefressene blaue Marmorkugel, in der anthrazitgrauen Mondwüste kuppelten bunte Iglus zw i schen Bohrtürmen und unendlich weiten, goldglitzernden Sonnensegeln. Wie eingefroren wirkte der Maschine n park draußen, still und reglos. Der Sternenhimmel war gewaltig.
    »Ja, da stehen wir Kinder«, hörte ich jemanden hinter mir sagen. Es war ein Blonder mit russischem Akzent. »Von hier aus gesehen, ist die Erde eine grandiose Oase in der weiten Wüste des Weltalls.«
    »Es ist großartig und putzig!«, antwortete ich. »Ir gen d wie weit und eng zugleich.«
    »Ja, es kommt einem alles so gedrängt vor. Der Mond ist nur ein Viertel so groß wie die Erde. Die Bode n krümmung ist viel stärker. Das verkürzt den Sichtkreis. Von hier oben können wir gerade mal sechs Kilometer weit gucken. Auf der Erde wäre es fast das Doppelte.«
    »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde«, sagte neben mir, amerikanisch knödelnd, eine weibliche Sti m me mit gläubiger Strenge. »Und die Erde war wüst und leer.« Die junge Frau blickte mich herausfordernd an. »Hier versteht man die Schöpfungsgeschichte. Könnte man nur alle mitnehmen hier herauf, damit sie die Erde sähen in ihrer unbegreiflichen Schönheit, dann wüssten sie, dass die Entstehung der Erde und des Lebens kein Zufall chemischer Prozesse gewesen sein kann.«
    Der Russe lachte humorlos. »Ihr Methodisten immer mit eurem Schöpfer! Im Zufall steckt die schöpferische Kraft, in der Mathematik letztlich. Aber ihr haltet einfach den Gedanken an Zufall nicht aus.«
    Die junge Frau schnaubte und wandte sich ab.
    Erst jetzt fiel mir auf, dass der Raum voller Leute war. Sie standen in Grüppchen beisammen, fast alle in Ric h tung der großen grauen Kombüse gewandt. Es roch b e täubend nach Kantine. Franco saß schon an einem der grauen Tische, Tupac und Van Sung standen in einer Gruppe mit Rangabzeichen auf den Anzügen.
    »Das war Rhianna«, erklärte der Russe. »Sie ist seit sieben Monaten hier, EVA-Ingenieurin und die beste LRV-Fahrerin. Eines Tages ist sie da draußen Gott b e gegnet. Übrigens, ich bin Pjotr Turenkow aus Petersburg, Abgeordneter der Duma. Ich war schon Mitglied der U- Boot-Besatzung, die eine russische Flagge auf dem Meeresgrund am Nordpol aufgestellt hat. Ich bin die vie r te Woche hier. Ein Defekt in der russischen Fähre hat uns e re Abreise verzögert, aber das weißt du vermutlich.«
    »Und? Hier auch schon die russische Flagge aufg e stellt?«
    Pjotr lachte unfroh.
    »Mein Name ist Michelle Ardan«, sagte ich und streckte ihm meine Hand hin.
    »Ich weiß. So wie du dich von David hast bitten la s sen.«
    Was

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