Lehmann, Christine
große Körner oder Steine. Es war auch kein Ton zu hören, obgleich ich die Maschinen vibrieren sah. Auch im Bohrturm drehte sich das Gestänge lautlos. Der Mensch, der im weißen Raumanzug mit dem verspiegelten Visier bei ihm stand, brauchte keinen Gehörschutz zu tragen. Zum ersten Mal kam es mir komisch vor, dass wir in Filmen die Rau m schiffe im luftleeren All immer ohrenbetäubend tosen hörten.
Ich stellte meinen leer getrunkenen Becher in das A b fallfach des Kombüsenschranks. Er machte die Klappe zu und schluckte ihn. Sehr schön. Nur komisch, dieses Klappern hinter dem Schrank. Ich umrundete ihn. Er spuckte Becher und Teller hinten wieder raus in eine Schublade, die bereits übervoll war. Ich zog sie heraus.
»Wo kommt das dreckige Geschirr hin?«, rief ich den beiden Schachspielern zu.
»In den food stock «, antwortete der Südafrikaner, ohne aufzublicken. »Erstes Sub.«
Dort hockte zwischen Regalen mit silbrigen Na h rungspäckchen und gleichmäßig über die geringe Bode n fläche verstreuten schmutzigen Bechern und Tellern n e ben einer offenen Spülmaschine Yanqiu und schluchzte.
Ich stellte den Container mit Frühstücksgeschirr in der Tür ab. Yanqiu wischte sich hastig die Tränen weg. Ich kickte den Müll beiseite und setzte mich neben sie auf den Boden. »Was ist denn los?«
Zwischen den Tellern wuselten zwei dunkle Punkte fort. Ameisen?
»Es ist nichts«, hauche Yanqiu. »Ich weine nicht. Die Spülmaschine hat mich nur geärgert. Der Druckschlauch ist geplatzt.«
»Bist du hier die Küchenhilfe oder was?«
»Unsere Gäste sollen doch einen schönen Blick haben beim Essen. Aber das Lager muss natürlich im Sub sein, falls wir das obere Habitat evakuieren müssen. Und j e mand muss den Rehydrator füllen und das Geschirr hi n untertragen und in die Spülmaschine tun. Das ist alles.«
»Aber warum du?«
»Jeder tut seine Pflicht. Es ist eine Ehre, hier zu sein. Ich werde meinem Land keine Schande machen. Vier Jahre habe ich in der Wüste mit Rovern trainiert, ich ha t te die besten Ergebnisse, deshalb hat man mich als Taik o nautin ausgewählt. Ich kümmere mich um die Rauma n züge. Man verlässt sich auf mich. Aber ich … ich war noch nie draußen.«
»Warum beschwerst du dich nicht?«
»Man kann es sich nicht aussuchen. Ich wünschte mir nur, dass andere das auch so sehen würden.«
»Welche anderen? Torsten Veith?«
»Der nicht! Torsten hat sein Leben lang davon g e träumt, auf dem Mond zu sein.«
»Und er wollte die Mondgöttin heiraten«, spöttelte ich.
Yanqiu sprang hoch wie gekniffen. Vielleicht lag es nur daran, dass Gail plötzlich in der Tür stand. In der Hand am sehnigen Arm im T-Shirt-Ärmel hielt sie einen Schraubenschlüssel von den Ausmaßen eines Saurie r knochens.
»Was wird das hier?«, schnarrte sie. »Und wie sieht es hier aus?«
»Der Schlauch ist geplatzt«, hauchte Yanqiu und fla t terte umher, die Becher aufsammelnd.
Ich war schneller auf den Füßen und flog höher als gedacht. Gut, dass die Decke gepolstert war.
»Und du, Cyborg, Baby«, knirschte Gail zwischen den Zähnen hervor, »komm doch bitte mal kurz mit.« Ruppig zog sie mich aus der Speisekammer. Ihre abgenagten Fingernägel gruben sich in meine Ellenbeuge.
»He!«
»He, du! Was wolltest du eben von Yanqiu, he?«
»Ganz ruhig, Gail, Darling! Und sei so nett und lass mich los, ja?«
Gail lockerte ihren Griff, bevor ich erwog, eine kleine fiese Judotechnik anzuwenden. Ihr müder Augenau f schlag, vor allem der Niedergang der Lider auf Zweidri t telniveau der grauen Iris war von berückend humorlosem Besitzerstolz.
»Weißt du«, säuselte ich, »Yanqiu findet es gar nicht spaßig, euren Dreck wegzumachen, eh!«
»Ha! Finde ich es vielleicht spaßig, verstopfte Klos auszuräumen?«
»Sag bloß, ihr Weiber macht hier die Putzkolonne!« Ich zwickte sie in den Bauch.
»Lass das!«, zischelte sie halb lächelnd und schickte einen warnenden Blick zu einer der vielen Kameras hi n auf. Offenbar waren es die Kameras in den Treppenzw i ckeln jedes Stockwerks, die für unsere Überwachung zuständig waren.
»Und was hast du vor mit dem Teil?«, lenkte ich ab und deutete auf den Schraubknochen. »Jemanden e r schlagen?«
Sie feixte ihr Kinn weg. »Die Duschzelle im Biolab …«
»Ah! Sag, woran lag ’ s, dass die Luftzufuhr nicht fun k tioniert hat?«
»Sie hat funktioniert, Cyborg, Baby.«
»Aber …«
»Schau mal! Das Biolab hat eine komplett isolierte Luft- und Wasserversorgung.
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