Lehmann, Christine
Glubschaugen gehei m niskrämerisch entrüstet an. »Jetzt! Leg deinen Finger ins Lesegerät.«
Ich tat es.
»Und jetzt …« David klickte und murmelte. »Shit! Dann machen wir das eben so. Ah! Will er auch nicht. Tja, Torstens PDS …«
»Bitte was?«
» Private data Station . Die ist gesichert. Da komme nicht einmal ich heran. Ich hab ja immer gesagt, es muss einen Notzugang geben. Aber den COPUOS-Leuten« – das war der Ausschuss der Vereinten Nationen zur frie d lichen Nutzung des Weltraums, erinnerte ich mich an Richards Ausführungen nach dem Spargelessen – »war der Schutz geistigen Eigentums ja so irre wichtig, vor allem euch Europäern, allen voran diesem Deutschen, diesem Staatsanwalt aus Stuttgart. Kennst du Stuttgart? Daimler, Porsche …«
»Richard Weber?« Meine Stimme war nur ein heiseres Röcheln, so tief sch osse n mir Reue und Scham ins G e wissen. Als ich noch befürchten musste, mich vor ihm rechtfertigen zu müssen, hatte ich meine One-Night-Stands nie als Betrug gesehen.
»Ja, Dr. Weber«, antwortete David leichthin und mit guter deutscher Aussprache. »Woher kennst du ihn? Ein ganz harter Knochen! Ein richtiger Kraut.« Er lachte. »Meine Großeltern waren Deutsche. Sie waren immer stolz auf Goethe und Gauß, obwohl ihre Cousins und Eltern alle in Auschwitz ermordet wurden. So jetzt, noch mal! Bitte den Finger ins Digiread.«
Ich legte den Finger auf den biometrischen Sensor. David fing die Daten ein und legte eine neue Karteikarte an.
»Jedenfalls haben wir dank des Krauts einen Wac h hund, der jeden Zugriff auf private Daten verhindert. Es sei denn, ein Richter vom Internationalen Gerichtshof erlaubt es. Und dann müssen immer drei dabei sein. Nur um das Urheberrecht zu schützen! Aber was gibt es hier schon groß zu schützen?«
»Vielleicht hat Torsten etwas entdeckt.«
David lachte Schweißwolken. »Ja, Mondstaub! Den entdecken wir alle überall. Sogar im Zeus. Und Ameisen. So, jetzt müsstest du reinkommen.«
»Was ist hier los? Sabotage?«
Davids Glubschaugen wurden steinhart. »Wer sagt so etwas? Sabotage! Das wäre Wahnsinn! Wir sitzen alle in einem Boot! Schon bemerkt?«
Ich hob die Hände. »Aber klar. Vielen Dank auch.«
»Na dann, viel Erfolg noch. Man sieht sich.«
»Unvermeidlich.« Ich schnaubte mich davon. Jetzt musste ich schnell einen Computer finden, um Sally eine E-Mail zu schicken und mir in Ruhe die Speicherkarte anzuschauen, die ich gestern unterm Spiegel im Abort des japanischen Moduls, das auch Torsten Veiths Qua r tier gewesen war, entdeckt hatte. Ich tastete nach der Karte in der Brusttasche meines Polohemds und e r schrak. Weg! Sie war weg.
25
»Und schon haben die Mondgelehrten auf ihr mehr als 50000 Krater gezählt. Also ist es eine wulstige, rissige Fläche, ein richtiges Schaumgebäck, das der ziemlich unpoetischen Bezeichnung ›green cheese‹, Grüner Käse, die ihr die Engländer gegeben haben, würdig ist.« Re i se um den Mond, Jules Vernes, 1869
Wir hatten die Inselbrücke überquert und standen im Stau an der Bahnlinie, die Lindau durchschnitt. Eine o f fensichtlich viel befahrene Strecke. Cipión schnarchte auf meinem Schoß und heizte meine Knie.
»Eines ist sicher«, stellte ich fest. »Michel Ardan wird nicht mehr zum Mond fliegen. Womöglich hat ein Ko n kurrent den Stein erhoben und ihn ins Schaufenster g e schubst.«
Richard schwieg.
»Ohne Witz. Wer fliegt jetzt an seiner Stelle?«
»Die Wartelisten in den Astronautenbüros und Rau m fahrtzentren sind lang.«
»Stehst du auch drauf?«
»Sehr witzig.«
»Du bist doch topfit.«
»Hm.«
»Woran hängt ’ s?«, feixte ich. »Kannst du nicht auf deine Zigaretten verzichten?«
Er sparte sich die Antwort.
Ich nutzte sein Strafschweigen und den Stillstand im Stau, um mir auf meinem Handy die Fotos von den Schaulustigen in der Salzgasse anzusehen, auch wenn sie zu klein waren, als dass man viel hätte erkennen können. Es drängten sich Bäuche, bunte Shorts, Dreiviertelhosen und Sandalen. Die Gesichter waren dem blutigen G e schehen zugewandt. Aber auf einem Bild stand ganz links eine Frau mit niveauvoll geföhntem Haar in heller Jacke mit Handtasche unterm winkeligen Ellbogen und roter Hose.
Der rote Hintern? Ich vergrößerte den Ausschnitt. Den roten Hintern aus dem Café Venezia an der Promenade von Friedrichshafen hätte ich überall wiedererkannt! Aber von der Frau waren weder die Hinterbacken noch die Vorderfront in Gänze sichtbar. Dass es sich um di e
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