Lehmann, Christine
bürste, Schweizermesser, Digitalkamera, ein USB-Speicher, drei Speicherkarten, Fettcreme in der Tube und Augentropfen. »Hier jedenfalls nicht.«
»Die Gaben der Kinder, wo hat Ihr Mann die gela s sen?«, erkundigte sich Richard.
»Oben im Schreibtisch, nehme ich an«, antwortete S u sanne. »Soll ich sie holen?« Sie stand erneut auf, nahm den Aschenbecher und fegte die daneben liegenden Ki p pen hinein.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mitko m men. Nur noch schnell …« Er wandte sich wieder an L u ca. »Ist das hier alles, was im Koffer deines Vaters war?«
Luca reckte den Hals und trat, ohne den Kontakt zu Richards Knien aufzugeben und ohne den Fotoausdruck loszulassen, an den Tisch heran. »Der Maybach fehlt.«
»Mein Wuschel fehlt auch!«, sagte Diana.
»Fehlt noch was?«
»Ich glaube nicht.« Luca schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, ob Papi drei oder vier Flashcards da be i hatte. Aber die eine fehlt. Die hatte eine kleine Scha r te im Aufkleber. Aber Papi hat gesagt, das macht nichts, auf den Inhalt kommt es an.«
»Okay«, sagte Richard und legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Du hast mir sehr geholfen, Luca. Ich wünschte, alle Zeugen wären so aufmerksam wie du.«
Luca wuchs zwei Zentimeter unter Richards Hand.
Daraufhin begab sich die Karawane ins Haus. Oben in den Kinderzimmern häuften sich Spielberge. Juana und Diana besaßen zahllose Barbies und Stofftiere, Luca ha t te eine ansehnliche Sammlung von Modellautos, Ba g gern, Raketen, Kampfflugzeugen und Mondrovern. U n term Dachfirst befand sich Torstens Arbeitsklause. In den R e galen standen technische Bücher und Zeitschriften. Ein Fach enthielt Science-Fiction. Mit sicherem Griff fand Richard unter den DVDs ein Kleinod.
»Schau an! Die Frau im Mond ! Fritz L a ngs letzter Stummfilm, 1929! Zur Uraufführung ist sogar Albert Einstein gekommen. Wo hat Torsten den nur aufgetri e ben?«
»Da haben sie den Countdown erfunden!«, krähte Lu ca.
»Richtig!« Richard lächelte sich tief ins Herz des Ju n gen. »Die Zuschauer sollten darauf vorbereitet werden, dass die Rakete startet. Und nur, wenn man rückwärts zählt, weiß man genau, wann das sein wird. ›Fünf, vier, drei, zwei, eins – jetzt!‹ Denn tatsächlich sieht man den Raketenstart im Film nicht. Es war damals noch niema n dem gelungen, eine gesteuerte Rakete zu starten. Und der Versuch von Längs wissenschaftlichem Berater, He r mann Oberth, es zur Filmpremiere zu tun, misslang auch.«
»Aber es gibt gar kein Gold und kein Wasser und ke i ne Luft auf dem Mond«, sagte Luca. »Auch auf der Rüc k seite nicht. Man kann da nicht leben.«
»Damals glaubte man das halt«, antwortete Richard. »Und in einem hatte der Film recht. Inzwischen fliegen auch Frauen zum Mond und kleine Mäuse, so wie im Film.« Er stellte die DVD zurück und ließ den Blick über den Schreibtisch gleiten. Die Kabel von Tastatur und Flachbildschirm hingen ins Leere. Der Rechner unterm Tisch fehlte.
Susanne begann die Schreibtischschubladen aufzuzi e hen. »Es war ja alles zerwühlt nach dem Einbruch.«
An der Wand hing eine Schiefertafel, Kreide lag in der Rinne davor. Auf der Tafel stand in Krakeln: »Nd 2 Fe 1 4 B.«
Richard runzelte die Stirn. »Neodym?«
»Das ist eine Seltenerde!«, sagte Luca. »Die gibt es viel in den Terrae auf dem Mond. Papi sagt, damit kann man Magnete für Hybridautos bauen. Sehr starke Magn e te.«
Ich runzelte ebenfalls die Stirn. »Seltenerde? Was es doch für schöne Wörter gibt.«
»Das sind Metalle, die gar nicht so selten sind«, b e merkte Richard. »Aber sie sind kompliziert abzubauen und zu verarbeiten.«
»Für Neodym braucht man Vakuum, sagt Papi.«
»Ein Zukunftsmarkt«, überlegte Richard.
»Ja, ja, da geht es um Milliarden!«, ergänzte ich.
»Der Wuschel ist schon mal da«, sagte Susanne.
Richard nahm den kleinen Stoffhasen, grub seine Fi n ger in die Weichteile und besichtigte die Nähte.
»Was suchen Sie denn?«, fragte Susanne.
»Ich weiß nicht.« Richard legte den Wuschel beiseite und nahm die Buntstiftzeichnung aus kindlicher Hand, die ein Flugzeug, eine Röhre mit Menschen und den Mond zeigte, auf dem ein Haus stand. »Das ist aber schön, Juana!«
Das Indiomädchen vergaß für einen Moment, Cipión zu streicheln, und lächelte.
»Der Maybach ist nicht mehr da«, bemerkte Susanne.
»Kann er ja auch nicht«, sagte Luca. »Papi hat ihn ja mitgenommen.«
Susanne seufzte.
»Frau Veith, das Foto mit den
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