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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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er habe unter dem gelitten, was ihr el susto nennt, den Schrecken. Wo hat er ihn sich zugezogen, wenn man das so sagen kann?«
    Tupac zeigte seine Zähnchen und ein giftiges Lächeln. »Das weiß nur er allein.«
    »Und woran merkst du das, wenn einer ohne seine Seele durch die Gegend tappt? Abgesehen natürlich von Van Sung, der gar keine hat.«
    »Mach dich nur lustig über uns. Es ist nicht zu me i nem Nachteil, höchstens zu deinem.«
    »Tupac! Sei kein Frosch! Ich würde es wirklich gerne wissen. Ich weiß momentan nämlich auch nicht, wo me i ne Seele ist.«
    »Dann geh zu Zippora, die ist Seelenklempnerin.«
    »Aber du bist der Medizinmann?«
    Er verzog das Gesicht. »Mein Vater ist Medizinmann. Ich habe nur ein bisschen Urwalddoktor gelernt. Ihr glaubt doch ohnehin nicht an Zaubersprüche, Blutopfer …«
    »Brr! Was seid ihr primitiv! Und eure Medizin ist ja auch nicht sonderlich erfolgreich, wenn man sich die L e benserwartung in Ländern wie deinem anschaut.«
    Tupac schnaubte. »Wer Zugang zu sauberem Wasser und anständige Toiletten hat, kann leicht gesund sein.«
    »Wenn ihr die internationalen Firmen vergrault, dann wird das auch nie was mit eurem Wohlstand.«
    »Wenn sie uns nur ausbeuten, wird es auch nichts.«
    »Torsten hat doch zu dem Konzern gehört, der das Gas aus euren Quellen nach Amerika exportieren und dann teuer an euch zurückverkaufen wollte. Habt ihr euch getroffen in Bolivien?«
    »Ich habe meine Heimat vor vielen Jahren verlassen, um mich in Brasilien zum Astronauten ausbilden zu la s sen.«
    »Dein Land ist sicher sehr stolz auf dich.«
    »Ja. Meine Regierung hat für mein halbes Jahr auf der Artemis in Europa Panzertechnologie für viele Millia r den bestellt. Demnächst werden wir also in Bolivien Panzer bauen. Torsten hat mir erklärt, dass die Antrieb s blöcke von MTU kommen und die Getriebe aus der Zahnradfabrik Friet … Frittritsch …«
    »Friedrichshafen?«
    Es rieselte mir wie Eisregen in die Nerven. Richard hatte von Anfang an Rüstung und Raumfahrt als sich gegenseitig befruchtende Industriemächte bezeichnet. Er hatte von Atomraketen auf dem Mond gesprochen, wenn auch dementierend, und von Gunter Mauchers Chinag e schäften mit Panzertechnik zur Vorbereitung lukrativer Fusionsreaktoraufträge. Und dann gab es natürlich noch die ganz normale Korruption bei der Vergabe von Astr o nautenplätzen. War es das gewesen, was Richard als Staatsanwalt für besonders heikle Ermittlungen eigen t lich interessiert hatte? Die Korruption, die man im B e reich der Raumfahrt nicht einfach aufdeckte, ohne eine hyperglobale, bis in die Sterne reichende Krise auszul ö sen. Hatte Richard deshalb sterben müssen, genauso wie Mi chel Ardan und Torsten Veith? Nur ich war i r gendwie so durchgerutscht.
    Eines war sicher: Wenn ich hier oben starb, würde Gunter Maucher ein Alibi haben, nicht nur wasserdicht, sondern vakuumverpackt. Auch für Torstens Tod würde man ihn nicht verantwortlich machen können, es sei denn, ich entlarvte hier oben den Kontakt, bei dem er – wie auch immer auf überwachten Breitbandwegen – e i nen Mord in Auftrag geben konnte.
    »Das also hat mein Land von meiner Mission«, redete Tupac weiter, seinerseits bitterlich verbunden mit seiner eigenen Weltengegend, »Panzer und Schulden. Wenn ich im Fernsehen mit Präsident Morales spreche und eine Grußbotschaft an mein Volk aufsage, dann können mein Vater, meine Mutter, meine Brüder und Schwestern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen es nicht sehen. Sie haben keinen Fernseher. Sie haben keinen Strom. Sie holen das Wasser aus dem Fluss, sie verrichten ihre No t durft zwischen dem Vieh auf den Weiden. Sie wissen nicht, was ein Computer ist. Für sie bin ich ein Wesen von einem anderen Stern.«
    In der Tat: Auch er hatte seine Seele verloren.

29
     
    »Die Dropas kamen in ihrem Raumschiff aus den Wo l ken. Zehn Mal versteckten sich unsere Männer, Frauen und Kinder bis Sonnenaufgang in den Höhlen. Als sie schlie ß lich die Zeichen der Dropas verstanden, begriffen sie, dass die Neuankömmlinge friedliche Absichten ha t ten.« Sungods in Exile, David A. Gamon, 1978
     
    Eine Wiesenweihe kreiste über einem grünen Hang. Gü l le stank durch die Täler. Die Bauern rechneten mit R e gen.
    »Ratzenried«, murmelte ich. »Namen sind das!«
    »Rattenschilf«, sagte Richard.
    Cipión stellte die Ohren. Das Wort »Ratte« verstand er in jeder Deklination. Er musste in seinem Leben vor se i nem Sturz in den Todsburger

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