Leises Gift
oder kam.
Er nahm seinen Cheeseburger von der Bedienung am Schalter entgegen und zahlte mit einem Zehn-Dollar-Schein. »Ketchup«, sagte er. »Ich brauche noch Ketchup.«
Er nahm einen großen Schluck Cola und ordnete sich in die Ausfahrtspur ein. Einer der Verfolger erschien direkt hinter ihm. Diese Typen versuchten nicht einmal, unauffällig zu bleiben.
Die Ironie bei Thora Shepard war, überlegte er, während er die südliche Fahrbahn der Interstate überquerte und auf die I-55 North einbog, dass sie ihren ersten Ehemann nicht einmal hatten umbringen müssen. Der arme Kerl war eines ganz natürlichen Todes gestorben. Selbstverständlich hatte Rusk ihr das nie verraten. Thora hatte wie vereinbart ihre Zahlungen geleistet, und er hatte ohne jeden Skrupel ihr Geld genommen. Dass ausgerechnet Thora Shepard jetzt Stammkundin wurde, war ein guter Witz. Auch wenn Rusk jetzt keine Zeit hatte, sich darüber zu amüsieren. Thora drohte auszuflippen, und wenn das in Gegenwart der falschen Leute geschah, konnte ihn das teuer zu stehen kommen. Er musste Kontakt mit Dr. Tarver aufnehmen, und zwar schnell. Er hatte keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte, doch während er nach Norden in Richtung Jackson raste, wurde ihm klar, dass er sich gar nicht bemühen musste. Dr. Tarver würde das für ihn erledigen. Andrew musste nichts weiter tun, als die Nerven behalten. Irgendwann im Verlauf der nächsten zwölf Stunden würde Tarver um eine Ecke biegen oder zu ihm in den Aufzug oder in den Wagen steigen, wie durch Zauberei. So arbeitete dieser Typ. Und sämtliche Agenten des FBI zusammen würden ihn nicht daran hindern.
Rusk sah in den Innenspiegel und lachte. Es war an der Zeit, die Chips in Geld umzutauschen und das Casino zu verlassen, bildlich gesprochen. Er hoffte nur, dass sie vorher noch Gelegenheit hatten, das Geschäft mit Carson Barnett abzuschließen. Barnett würde ihr pièce de résistance werden, ihr ganz dicker Fisch, der die beiden letzten Jahrzehnte ihres Lebens finanzieren würde. Während die Interstate unter ihm hindurchfloss wie ein grauer Fluss, sah Rusk sich an einem sonnenüberfluteten Strand mit einem Drink in der Hand und Lisa nackt neben sich. Er hasste den Gedanken, die Kinder zurückzulassen, doch daran war nichts zu ändern. Geschäft war Geschäft. Er verlangsamte seine Fahrt, bis der dunklen Limousine hinter ihm nichts anderes übrig blieb, als ihn zu passieren. Als der adrette Fahrer am Steuer in seine Richtung blickte, grinste Rusk ihn so breit an wie die berüchtigte Cheshire Cat.
Dr. Tarver bedauerte den Ausdruck von dumpfem Nichtbegreifen im Gesicht seines Adoptivbruders. Es war genau der Ausdruck, den er erwartet hatte – die verwirrte Ungläubigkeit eines Kindes, das soeben erfahren hat, dass sein Hund von einem Wagen überfahren worden war.
»Alle?«, fragte Judah. »Jeder Einzelne?«
»Ich fürchte ja«, lautete Eldons Antwort. »Es tut mir leid.«
»Auch die Schimpansen?«
Sie standen im hinteren Raum neben den Primatenkäfigen – nicht gerade der beste Ort für diese Unterhaltung. »Die Schimpansen als Erstes. Es darf nichts übrig bleiben, das jemandem verrät, was wir hier getan haben.«
In Judahs Gesicht arbeitete es wie im Gesicht eines Jungen, der Summen berechnet, die seinem Begriffsvermögen entzogen sind. »Ich dachte immer, was wir hier tun, wäre nichts Böses?«
»Es ist auch nichts Böses, Judah, aber die Leute werden das nicht so sehen. Du weißt selbst sehr gut, wie die Leute sind.«
»Ich weiß. Aber was, wenn ich sie behalten würde? Nur ein paar?«
»Ich wünschte, das wäre möglich. Ehrlich, Judah. Aber du weißt, dass das nicht geht.«
»Ich hab viel gelernt, mir viel Mühe gegeben. Ich hab die Beagles vorne praktisch allein betreut im vergangenen Jahr. Warum kann ich nicht einfach die Zucht weiterführen? Nur die Beagles?«
»Du weißt nicht, was es heißt, ein Geschäft zu führen, Judah. Es bedeutet viel mehr, als sich nur um die Hunde zu kümmern. Du musst Bestellungen aufgeben, Bücher führen, mit Computern umgehen und Steuern bezahlen. Außerdem brauchst du eine Lizenz. Es wird nicht klappen, wenn ich nicht da bin.«
Eine neue Angst erschien in Judahs Gesicht. »Wohin gehst du?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber ich werde dich nachholen lassen, sobald ich dort bin.«
»Ehrlich?«
»Tue ich das nicht immer?«
Judahs Augen zuckten erneut in Richtung der Käfige. »Warum können wir die Tiere nicht verschenken?«
»Weil sie krank
Weitere Kostenlose Bücher