Leonardos Liebesbiss
Maschinen befindet.«
»Da ist die Wand der Geisterbahn.«
»Und möglicherweise der Ausgang.«
Sie zuckte nur die Achseln. Recht war es ihr nicht. Ich wollte auch nicht lange bleiben und hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie mich begleitet hätte, aber das wollte sie nicht.
Die Lücken zwischen den Maschinen waren groß genug für mich. Ich durfte nur nicht zu nahe an die Kette herankommen.
Der Boden hier war glatt. Feuchtigkeit und Schmutz hatten diesen Film gebildet. Beinahe bewegte ich mich wie auf Glatteis. Ich sah die Wand dicht vor mir, leuchtete sie an, klopfte sie ab, aber das Holz erzeugte keinen hohlen Ton, wie es vielleicht bei einer Tür der Fall gewesen wäre.
Die Luft stand. Es war keine Wohltat, sie einzuatmen. Ich sah einen offenen Kasten mit Werkzeug auf dem Boden stehen und griff nach einer Stableuchte, die im Kasten lag.
Dabei mußte ich mich bücken.
Da hörte ich das Geräusch.
Ein scharfes Zischen oder Atmen, einen keuchenden Laut. Noch geduckt und in der Hocke drehte ich mich. Der Lampenschein machte die Bewegung mit. Er fand auch ein Ziel.
Es war eine Frau.
Eine Blutsaugerin, deren Mund offenstand. Das war mir in diesem Moment egal. Viel schlimmer war die Waffe, die sie mit beiden Händen festhielt und bereits zum Schlag angehoben hatte. Die Klinge der Machete sollte meinen Schädel spalten…
Nicht zu schnell und auch nicht zu langsam war Suko auf die Geisterbahn zugegangen. Er rechnete auch damit, daß Frost ihn beobachtete, aber er zog ein möglichst gleichgültiges Gesicht. An der Schlange der Wartenden drückte er sich vorbei, während Frost seine Anreißerparolen in das Mikro sprach.
»Wenn Sie den Schrecken Ihres Lebens erleben wollen und wenn Sie damit beweisen möchte, wie stark Sie sind, dann ist Leos Geisterbahn genau das Richtige für Sie. Hier werden die Alpträume wahr. Bei mir erleben Sie das, was Ihr Unterbewußtsein Ihnen in den finsteren Nächten schickt. Hier hat das Grauen Gestalt. Ob aus der Tiefe oder aus der Luft. Vergessen Sie die Wachsfigurenkabinette, erleben Sie untotes Leben. Tauchen Sie ein in den Dschungel der schrecklichsten Bilder, und kehren Sie gehärtet wieder zurück. Gönnen Sie sich einen Trip durch die Hölle, noch bevor Sie tot sind!«
Nach dieser reißerischen Ansage lachte Leo Frost, und es gab nicht wenige unter den Zuhörern, die eine Gänsehaut bekamen. Aber seine Sprüche hatten Erfolg. Es sammelten sich immer mehr >Mutige< in der Warteschlange. Inzwischen hatten die meisten Kinder den Rummel verlassen. Jetzt setzte sich das Publikum mehr aus Jugendlichen und Erwachsenen zusammen. Der Himmel hatte eine dunkle Färbung bekommen. Darunter breiteten sich die bunten, kreisenden und zuckenden Lichter des Jahrmarktes aus, die eine Welt für sich bildeten. Suko bestieg das Podest in dem Augenblick, als Frost das Mikro sinken ließ.
Er hatte ihn bemerkt. Sehr langsam, schon provozierend langsam drehte er sich zu ihm um.
Suko sagte nichts. Er schaute den Albino nur an. Zum erstenmal sah er ihn aus der Nähe. Angesehen von seiner bleichen Haut fielen ihm sofort die Augen auf. Suko überlegte, ob er schon derartige Augen gesehen hatte. Er bezweifelte es. Sie waren völlig farblos, ohne Pupillen, wie Wasser. Und trotzdem steckte etwas in ihnen, das Suko einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Es war ein bestimmtes Wissen über eine andere Welt. Über die Dunkelheit, über die Hölle. Ein Lauern, ein Grinsen, und auch eine Überheblichkeit. Zudem fiel ihm noch etwas auf.
Frost kannte ihn.
Er wußte genau, mit wem er es zu tun hatte. Es war eine kurze Bestätigung in seinem Blick gewesen, die Suko nicht entgangen war.
»Was wollen Sie?« fragte Frost.
»Mit Ihnen sprechen.«
Leo hob seine Augenbrauen, die auch nur aus einer Andeutung bestanden. »Sehen Sie nicht, daß ich zu tun habe? Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, kommen Sie morgen früh zu mir.«
»Das werde ich nicht tun. Ich bleibe.«
»Ich will nicht mit Ihnen reden.« Er strich über seine Haare, als wollte er sie streicheln.
»Aber ich mit Ihnen.«
Frosts Haltung spannte sich. Nur mühsam hielt er seinen Zorn zurück. »Verschwinden Sie, Mister, sonst lasse ich Sie entfernen.«
»Das würde Ihnen schlecht bekommen.«
»Ach ja?«
»Oder wollen Sie sich mit der Polizei anlegen?«
Leos dünne Stirnhaut bekam Falten. Wohl ein Beweis, daß er überrascht war. »Wieso Polizei? Was werfen Sie mir vor?«
Er wollte keinen Ausweis sehen, und Suko sagte: »Ein junges
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