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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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wäre tot gewesen.«
    Der Kellner kam und fragte, ob sie noch etwas wollten, und informierte sie, dass der Alkoholausschank in zehn Minuten schloss. Kaja lehnte dankend ab, woraufhin der Kellner die Rechnung vor Aslak hinlegte.
    »Warum hatte Utmo das Gewehr bei sich?«, fragte Kaja. »Zurzeit ist doch auch keine Jagdsaison.«
    »Wegen der Raubtiere, behauptet er. Zu seinem Schutz.«
    »Gibt es hier denn Raubtiere? Wölfe?«
    »Er sagt mir nie genau, welche Art von Tieren er meint. Außerdem kursiert das Gerücht, dass der Geist des Jungen nachts noch immer in den Bergen herumspukt. Und dass man aufpassen muss, wenn man ihn sieht: Angeblich bedeutet das, dass man sich in der Nähe eines Abgrunds befindet oder dass Lawinengefahr besteht.«
    Kaja trank aus.
    »Ich kann die Ausschankbewilligung um eine Stunde verlängern, wenn Sie wollen.«
    »Danke, Aslak, aber ich muss morgen früh raus.«
    »Uih«, sagte er, lachte sie aus den Augen an und kratzte sich unter seinen Locken. »Das hörte sich jetzt ja an, als ob …« Er hielt inne. »Als ob was?«, fragte Kaja.
    »Ach nichts. Sie haben zu Hause sicher einen Mann oder einen Freund.« Kaja lächelte, ohne zu antworten.
    Aslak starrte auf die Tischplatte und sagte dann leise: »Also wirklich, da schafft der Dorfpolizist nicht mal zwei Gläser Wein, ohne aufdringlich zu werden.«
    »Schon in Ordnung«, sagte sie. »Ich habe keinen Freund. Und ich mag Sie. Sie erinnern mich an meinen Bruder.«
    »Aber?«
    »Aber was?«
    »Vergessen Sie nicht, dass auch ich Polizist bin. Ich sehe Ihnen doch an, dass Sie nicht allein sind. Irgendjemanden gibt es da, nicht wahr?«
    Kaja lachte. Normalerweise tat sie so etwas nicht. Vielleicht lag es am Wein. Vielleicht aber auch daran, dass sie Aslak Krongli mochte. Vielleicht tat sie es, weil sie seit Evens Tod niemanden mehr hatte, mit dem sie über so etwas reden konnte, und Aslak war ein Fremder, weit weg von Oslo, der keinen Kontakt zu den Menschen in ihrem Umfeld hatte.
    »Ich bin verliebt«, hörte sie sich selbst sagen. »In einen Polizisten.« Sie führte das Wasserglas verwirrt an die Lippen, als wollte sie den Mund dahinter verstecken. Es war merkwürdig, aber irgendwie erschien ihr das alles erst jetzt, da sie es laut ausgesprochen hatte, real zu sein.
    Aslak hob sein Weinglas und prostete ihr zu. »Dann trinke ich auf einen glücklichen Mann. Und ein glückliches Mädchen. Hoffe ich.«
    Kaja schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Grund, darauf anzustoßen. Noch nicht. Vielleicht nie. Mein Gott, ich rede ja wie …«
    »Worüber sollten wir sonst reden? Erzählen Sie.«
    »Das ist kompliziert. Er ist kompliziert. Und ich weiß nicht, ob er mich will. Aber das ist eigentlich vergleichsweise einfach.«
    »Lassen Sie mich raten. Er hat eine Beziehung und schafft es nicht loszulassen.«
    Kaja seufzte. »Vielleicht. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aslak, danke für alles, aber ich … «
    »… sollte jetzt ins Bett gehen.« Krongli stand auf. »Ich hoffe, das mit Ihrem Typen geht vollständig in die Brüche, so dass Sie vor Liebeskummer aus der Stadt fliehen und ehrlich darüber nachdenken, das hier in Betracht zu ziehen.« Er reichte ihr einen A4-Zettel mit dem Briefkopf der regionalen Polizeibehörde.
    Kaja las laut. »Kommissar der Regionaldienststelle?«
    »Roy Stille wird im Herbst pensioniert, und gute Polizisten sind nur schwer zu finden«, sagte Aslak. »Das ist unsere Stellenanzeige. Wir haben sie letzte Woche veröffentlicht. Unsere Dienststelle ist im Zentrum von Geilo. Jedes zweite Wochenende frei und der Zahnarzt gratis.«
    Als Kaja ins Bett ging, hörte sie ein entferntes Grummeln. Donner und Schneetreiben kamen selten zusammen.
    Sie rief Harry an, erreichte aber nur seinen Anrufbeantworter. Sie hinterließ ihm eine kurze Gruselgeschichte über Odd Utmo mit den faulen Zähnen und der Zahnspange und über seinen Sohn, der sicher noch hässlicher als der Alte war, da er seit achtzehn Jahren hier in der Gegend herumspukte. Sie lachte. Merkte, dass sie angetrunken war, und sagte gute Nacht.
    Sie träumte von einer Lawine.
    Es war elf Uhr vormittags. Harry und Joe waren um sieben in Görna aufgebrochen und hatten ohne Probleme die Grenze von Ruanda passiert. Nun stand er in einem Büro im ersten Stock des Flughafenterminals in Kigali. Zwei uniformierte Beamte musterten ihn von Kopf bis Fuß. Nicht unfreundlich, eher so, als überlegten sie, ob er wirklich der war, für den er sich ausgab: ein norwegischer Polizist. Harry

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