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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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lächelte sanft. Liebe und Tod sind Themen, an denen man sich die Zähne ausbeißen kann. Will ein Dichter sie angemessen behandeln, braucht es dazu keine Myrtenblätter und Veilchen.
    Die Stadt über einer fruchtbaren und ertragreichen Landschaft lag auf einem Berg, von dem aus man einen phantastischen Blick auf Palästina und Syrien hatte, nach Westen über den See von Tiberias und nach Norden bis zum schneebedeckten Berg Hermon. Blühende Dörfer übersäten die Hänge, die saftiges Weideland abgaben. Statt der nackten, gelbbraunen Hügel, die uns anderenorts meilenweit begleitet hatten, war dieses Gebiet voller grüner Felder und Wälder. Statt der einsamen Nomaden, die Ziegen bewachten, sahen wir hier munter miteinander schwatzende Gruppen, die fettere, wolligere Herden hüteten. Selbst das Sonnenlicht schien strahlender, belebt vom nahen glitzernden großen See. Ohne Zweifel dichteten die Schaf- und Schweinehirten auf diesen begehrten Weiden pausenlos sonnige, elegante elegische Oden. Wenn sie nachts die metrischen Unebenheiten ihrer Verse wachhielten, konnten sie als Einschlafhilfe immer noch ihre Obolen und Drachmen zählen; finanzielle Sorgen kannten die Menschen hier offenbar nicht.
    Wie immer stritt sich unsere Truppe heftig darüber, welches Stück wir aufführen sollten; ohne daß wir uns geeinigt hatten, gingen Chremes und Philocrates, unterstützt von Grumio, schließlich los, um beim örtlichen Magistrat vorzusprechen. Helena und ich machten einen Spaziergang durch die Stadt. Wir fragten nach Thalias verlorengegangener musikalischer Maid, wie immer ohne Erfolg. Das kümmerte uns nicht weiter; wir genossen es, für kurze Zeit allein zu sein und merkten irgendwann, daß wir der von der Akropolis zum Flußtal hinunterströmenden Menge gefolgt waren.
    Offenbar war es eine liebe Angewohnheit der Bevölkerung, abends das Haus zu verlassen, zum Fluß hinunterzugehen, in seinem angeblich heilenden Wasser zu baden, und dann (nörgelnd) wieder nach oben zu wandern, um sich die abendliche Dosis an öffentlicher Unterhaltung zu Gemüte zu führen. Das Bad im Fluß mochte ihre Schmerzen gelindert haben, aber bei dem steilen Aufstieg in ihre hochliegende Stadt verrenkten sie sich wieder sämtliche Knochen, und die Hälfte holte sich wahrscheinlich eine Erkältung, wenn sie in die kühlere Luft kam. Wenn einige sich hinlegen mußten, hieß das nur, daß mehr Platz auf den bequemen Theatersitzen für diejenigen blieb, die direkt aus ihren Geschäften oder Büros gekommen waren, ohne ihre Gesundheit mit einer Wassertherapie aufs Spiel zu setzen.
    Wir schlossen uns der Menge in ihren gestreiften Hemden und den gewundenen Turbanen am Flußufer an; Helena steckte vorsichtig einen Zeh ins Wasser, während ich stehenblieb und römisch überlegen schaute. Das spätabendliche Sonnenlicht hatte eine wunderbar beruhigende Wirkung. Ich hätte mit Freuden meine doppelte Suche aufgeben und mich für immer auf das Theaterleben einlassen mögen.
    Weiter unten am Ufer bemerkte ich plötzlich Philocrates; er hatte uns nicht gesehen. Er trank etwas – vermutlich Wein aus einem Ziegeniederschlauch. Als er fertig war, stand er auf, führte seine körperlichen Vorzüge jeder ihn vielleicht beobachtenden Frau vor, blies den Weinschlauch auf, band ihn zu und warf ihn ein paar Kindern hin, die im Wasser spielten. Als diese sich kreischend vor Vergnügen draufstürzten, zog Philocrates seine Tunika aus, bereit, ins Wasser zu gehen.
    »Damit kriegt der aber kein Körbchen voll!« kicherte Helena, als sie bemerkte, daß der nackte Schauspieler nicht eben gut bestückt war.
    »Größe ist nicht alles«, versicherte ich ihr.
    »Wenn du meinst.«
    Sie grinste, während ich überlegte, ob ich den strengen Patriarchen herauskehren und den Lesestoff konfiszieren sollte, dem sie diesen geschmacklosen Witz entnommen haben mußte.
    »Hier riecht es komisch, Marcus. Warum muß Heilwasser immer so stinken?«
    »Um dir vorzugaukeln, daß es wirkt. Wer hat dir den Körbchen-Witz erzählt?«
    »Ah! Hast du gesehen, was Philocrates mit dem Weinschlauch gemacht hat?«
    »Habe ich. Wenn er so nett zu Kindern ist, kann er unmöglich Heliodorus umgebracht haben«, erwiderte ich sarkastisch.
     
    Helena und ich begannen den steilen Aufstieg vom Flußufer zu der hoch oben liegenden Stadt. Es war eine mühsame Kletterei, die uns beide an die schreckliche Entdeckung auf dem Hohen Opferplatz in Petra erinnerte.
    Um wieder zu Atem zu kommen, aber auch aus echtem

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