Letzter Mann im Turm - Roman
Vorstrafen.»
«Shanmugham, halt’s Maul und hör mir zu.»
Und dann teilte er, während er noch immer Rosies Arm festhielt, seiner linken Hand mit, was er mit der Vishram Society vorhatte.
Schweigen. Dann fragte die Stimme am anderen Ende: «Boss, sind Sie
sicher?
Wir bezahlen sie?
Warum?»
«Shanmugham», sagte Shah. «Ich habe dich doch in einem Slum in Chembur aufgegabelt. Richtig?»
«Ja, Boss.»
«Noch so eine Frage und ich schicke dich wieder dahin zurück.»
Er beendete das Gespräch und drehte sich zu Rosie um. Ein Pflaster klebte auf ihrer Nase; Giri hatte die Wundpflaster geholt, die für Satishs Fußballblessuren gedacht waren. Sie hatte den Kopf gesenkt und sah auf den Küchenfußboden.
«Siehst du, wozu du mich gezwungen hast, Rosie? Komm, lass uns nach Versova fahren. Ich habe Hunger. Komm.»
Sie drehte sich zu ihm um, ihre Augen blitzten wütend und die Finger ihrer rechten Hand zitterten. Shah wappnete sich. Würde er eine Ohrfeige bekommen? Aber ein größeres Bedürfnis als Vergeltung – der versprochene Friseursalon, ihre zukünftige Unabhängigkeit – ließ ihre Hand erschlaffen.
«Okay», sagte sie. «Lass uns gehen.»
Shah grinste. Er schickte dem Fahrer eine SMS, dass er den Wagen bereithalten sollte, und führte Rosie aus der Wohnung in Richtung Toast, Strand und Bett.
Giri blieb in der Küche und wischte Wasser und Blut auf.
ACHTES BUCH
ABLAUF DER FRIST
29. SEPTEMBER
Masterji summte einen beliebten Filmsong vor sich hin
(«… geet amar kar do»),
stieg mit einer Packung Frischmilch die Treppe hoch und traf vor seiner Tür Ms Meenakshi an, die auf ihn wartete. Die junge Frau zeigte ihm einen Schlüsselbund.
«Ich ziehe heute aus.»
Masterji nickte. «In diesem Fall müssen Sie unbedingt hereinkommen, Ms Meenakshi. Tee? Kekse?»
Sie trug ein weißes T-Shirt und einen Jeansrock, der ihre Knie sehen ließ; sie setzte sich auf das Sofa, während er in der Küche Milch auf den Gasherd stellte und etwas Ingwer klein schnitt.
«Masterji, Ihr Leben ist vielleicht in Gefahr, und Sie reden von Tee und Keksen?»
Er zündete den Herd mit einem Streichholz an.
«Was soll dieser Shah denn machen, Ms Meenakshi? Meine Generation hat Dinge erlebt, die ich Ihnen gar nicht erklären kann. Haben Sie von PL 480 gehört? Während des Krieges 1965 haben die Amerikaner ihre Nahrungsmittellieferungen an uns eingestellt, um Pakistan zu unterstützen. PL 480 hieß ihr Weizenprogramm, und sie haben die Lieferung eingestellt. Premierminister Lal Bahadur Shastri bat damals jeden Inder, auf eine Mahlzeit zu verzichten, damit unsere Nation den Krieg gewinnt. Dieser Ärger ist
nichts
im Vergleich.»
Das Wohnzimmer füllte sich mit dem Geruch verbrannter Milch. Masterji kam mit zwei Tassen dampfendem Ingwertee aus der Küche.
Ms Meenakshi nippte an ihrem Tee. «Sie sind hier ganz auf sich gestellt, Masterji. Ist Ihnen das auch wirklich klar? Ein Mann miteiner Pistole könnte bei Ihnen klingeln und Sie erschießen. Solche Dinge sind schon passiert.»
Masterji stellte seine Tasse auf dem Teakholztisch ab.
«Nein, ich bin nicht allein, Ms Meenakshi.»
Er wollte Schatten an die Wand werfen, um es ihr zu erklären.
«An dieser Auseinandersetzung sind mehr Parteien beteiligt als nur Mr Shah, meine Nachbarn und ich. Millionen sind daran beteiligt. Selbst wenn Sie Vishram verlassen haben, werden sie immer noch daran beteiligt sein.»
Sie wartete auf eine Erklärung. Er lächelte und rührte den Bodensatz in der Teetasse um.
Die junge Frau wischte sich die Hände an ihrem Rock ab und sagte: «Sie haben gefragt, was Öffentlichkeitsarbeit ist, Masterji. Gehen Sie zur Zeitung. Erzählen Sie ihnen Ihre Geschichte.»
«Ich habe einem meiner Schüler bei der
Times of India
geschrieben … und es ist nichts passiert.»
«Nicht zu den
pucca
Zeitungen, sondern zu einer Boulevardzeitung. Mein Freund arbeitet bei der
Sun,
Masterji, der, den Sie …» Sie lächelte. «Ich habe ihm erzählt, was hier los ist, und er hat sofort gesagt: ‹Das ist eine Story!› Er wird Sie interviewen. Die Zeitung wird Ihr Foto bringen. Sie werden berühmt werden. Die Leute werden Ihnen auf Facebook folgen.»
Masterji stand auf.
Jeder will etwas von mir,
dachte er.
Shah will mir mein Zuhause stehlen, und sie will meine Story haben.
Er ging ans Fenster und öffnete es. Eine eingetopfte Kletterpflanze war von der Wohnung des Verwalters bis zu seinem Fenster heruntergewuchert; ihre saftigen grünen Ranken verdeckten ihm teilweise
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