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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Sicht. Er knipste einige der Ranken ab.
    Ms Meenakshi begriff, dass dies für sie das Zeichen zum Aufbruch war.
    «Ich frage Sie noch einmal, Masterji», sagte sie an der Tür. «Wollen Sie Ihre Geschichte erzählen? Mit jedem Tag wächst die Gefahr, in der Sie sind.»
    Er stand am Fenster, bis sie die Tür hinter sich schloss. Nun war sie fort, bald würde sie ausziehen, diese junge Frau, die ihn früher so verwirrt hatte. Er konnte in sich den Mann, der nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt, an der er jetzt stand, Ms Meenakshis Freund mit übermenschlicher Kraft geschubst hatte, nicht mehr wiederfinden. Vielleicht war sie deshalb in dieses Haus geschickt worden: um ihn, als Mr Shah sein Angebot machte, aus der Fassung zu bringen.
    Eine Autorikscha fuhr auf das Grundstück. Er sah die junge Frau samt Koffern und Taschen einsteigen.
    Sie hatte recht. Der Stichtag rückte näher, und Mr Shah würde bald jemanden vorbeischicken.
    Mit einem Lächeln knipste er noch ein paar Ranken ab, die jetzt nach ihrem frischen, belebenden Saft rochen.

30. SEPTEMBER
    Trotz laufender Nase, erhöhter Temperatur und entzündeter Bindehaut – alles Symptome, die mit dem Wetterumschwung einhergingen – musste Ram Khare zugeben, dass dies die ideale Jahreszeit war, um das Leben zu genießen.
    Bald war Oktober. Die Sonne belästigte nun andere Menschen in anderen Städten. Die Abende wurden angenehm. Und so tat er, was er einmal im Jahr zu tun pflegte, er lud Wachmänner aus der Nachbarschaft zu einer Runde
chai
ein.
    Sie versammelten sich in ihren grauen oder kakifarbenen Uniformen um sein Wachhäuschen, rauchten
beedis
oder ließen ihre Schlüsselanhänger kreisen. Khare, vielleicht als Gastgeber aufmerksamer denn als Wachmann, sorgte dafür, dass jeder ein volles Teeglas hatte, ehe er sich selbst eines vom Tablett nahm, nachdem der
chaiwallah
gegangen war.
    «Also, Ram Khare, was ist denn in letzter Zeit in Vishram so los? Waren es Hockeyschläger oder Messer?»
    Die anderen Wachmänner hatten die Neuigkeiten über den alten Mr Pinto und den Jungen mit dem Hockeyschläger gehört. Ram Khare blickte in die Runde und sah sich einem spontanen Tribunal seiner Kollegen gegenüber. Er setzte sein Teeglas ab und baute sich vor ihnen auf.
    «Hört mal: Wurde Mr Pinto nun innerhalb der Grundstücksmauer bedroht – oder
außerhalb?»
    «Da hat er auch wieder recht», sagte einer der Wachmänner. «Er kann doch nicht jede Ecke der Welt im Auge behalten, oder?»
    «Aber dein Masterji da, ist das ein guter oder schlechter Mensch?», fragte ein anderer Wachmann. «Gibt er reichlich
baksheesh?»
    Khare schnaubte. «In den sechzehn Jahren, acht Monaten und neunundzwanzig Tagen, die ich ihn nun kenne, hat er kein einziges Mal Trinkgeld gegeben.»
    Allgemeine Empörung. Soll er doch aus dem Fenster geworfen, bewusstlos getreten, erschossen werden – aber hallo!
    Da die Kurzfassung der
Bhagavad Gita
gut sichtbar im Fenster seines Wachhäuschens lag, musste Ram Khare der Fairness halber auf Folgendes hinweisen: «Aber er hat meine Lalitha an seinen Nachhilfestunden teilnehmen lassen. Die Bewohner sind nicht glücklich gewesen, dass die Tochter eines Wachmanns zusammen mit ihren Kindern unterrichtet wird, aber er hat gesagt, nichts da, sie ist eine Schülerin wie alle anderen auch.»
    Ein durchdringender Pfiff ertönte am Tor von Turm B, und die Wachmänner drehten sich um.
    Ein Lastwagen fuhr rückwärts auf das Grundstück und wurde vom Wachmann jenes Turms eingewiesen, der so gellend gepfiffen hatte.
    «Meine Freunde, die Dinge in der Vishram Society laufen schlecht», sagte Ram Khare und hob seinen Tee wie zu einem Trinkspruch, «aber ab heute wird’s
noch
schlimmer.»
    Mrs Puri und Ibrahim Kudwa standen am Fenster in Mrs Puris Wohnung.
    Holzbetten und Schränke wurden durch das Treppenhaus von Turm B nach unten getragen und auf einen Lastwagen geladen. Dann kamen Schreibtische, die in alte Zeitungen eingewickelt waren, und in Plastik verpackte persönliche Habseligkeiten.
    Die Familien in Turm B hatten ihre zweite Rate vom Confidence-Konzern erhalten (die von Mr Shah überraschenderweise bereits
vor
dem festgelegten Termin ausgezahlt worden war) und zogen, eine nach der anderen, in ihre neuen Wohnungen.
    Mrs Puri hatte die Neuigkeiten von Ritika, ihrer Freundin in Turm B, vor ein paar Wochen erfahren.
    «Eines Tages trudelte das Geld einfach auf unserem Konto bei der Punjab National Bank ein», hatte Ritika gesagt. «Mehr als einen

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