Letzter Mann im Turm - Roman
Monat zu früh. Die erste Rate hat er gezahlt, sobald wir das Protokoll der Wohnungsübergabe unterschrieben hatten. Wir haben mittlerweile zwei Drittel des Geldes – all diese Nullen auf unseren Bankauszügen, Sangeeta. Alle sind losgerannt und haben eine Anzahlung auf eine nagelneue Wohnung geleistet. Niemand möchte einen Tag länger als nötig in Vishram bleiben.»
Der Auszugsplan war gut sichtbar für die Bewohner von Turm A an Ram Khares Wachhäuschen angebracht worden. Die letzte Familie würde Turm B am 2. Oktober, an Gandhi Jayanti, um 17 Uhr verlassen.
«Soll der Bauunternehmer nicht angeblich auch acht Wochen lang die Miete zahlen, während sie sich nach einer neuen Wohnung umsehen?», fragte Kudwa.
«Das ist auch schon auf dem Konto. Einige ziehen erst mal in eine Mietwohnung.
Das
würde ich nicht machen. Warum mieten, wenn man gleich in die eigene Wohnung ziehen kann?» Mrs Puri lächelte traurig. «Siehst du, Ibby, ich habe dir doch immer gesagt, dass Shah zahlen wird. Man sagt, dass alle Bauherren von heute so sind. Ehrliche Leute.»
Ibrahim Kudwa griff sich mit beiden Händen in den Bart und kratzte sich.
«Das ist sehr eigenartig, Mrs Puri. Schon vor dem vereinbarten Termin zu zahlen. Da steckt irgendein Plan dahinter.»
«Plan,
Ibby? Was für ein Plan?»
«Weiß ich nicht genau …» Ibrahim Kudwa kratzte nun heftiger an seinem Bart herum. «Aber irgendwas geht hier vor.» Er hob eine
India Today
-Zeitschrift vom Boden auf und wischte sie ab; dann hob er eine Femina-Zeitschrift auf und tat das Gleiche.
Mrs Puri sagte zu Ibby, er solle den Krempel doch auf dem Boden liegen lassen, und bot ihm ein Glas Milch mit Rosensirup an;während er trank, schaute sie nach Ramu, der unter seiner blauen Flugzeugdecke schlief.
Am Abend ging sie hinunter, um sich mit Ritika zu unterhalten, die auszog. Die beiden Frauen standen am Tor von Turm B und überwachten die Arbeiter, die die Taschen auf den Lastwagen luden. Ritika hielt eine große rote Süßigkeitenschachtel in der Hand, die der Verwalter von Turm B jeder Familie zum Auszug als Geschenk des Bauherrn überreichte.
«Möchtest du einen
almirah
geschenkt haben, Sangeeta?», fragte Ritika. «Wir können den alten nicht mitnehmen.»
«Nicht nach Goregaon mitnehmen? Warum denn nicht?»
«Wir ziehen nicht nach Goregaon», sagte Ritika. Sie klopfte auf ihre rote Schachtel. «Wir ziehen zuerst zu meinen Schwiegereltern nach Bandra. Nächstes Jahr ziehen wir nach Kalkutta. Was sind in dieser Stadt schon 15 Millionen, Sangeeta? Nichts. Ramesh hat um Versetzung gebeten. Wir können für dasselbe Geld eine hübsche, große Wohnung am Minto-Park bekommen. Er ist doch in Bengalen aufgewachsen.»
Mrs Puri fühlte sich sofort besser, denn wie sehr konnte jemand schon vom Glück begünstigt sein, der nach Kalkutta ziehen würde?
«Wozu brauchen wir einen
almirah,
Ritika? Wir ziehen auch bald um.»
«Oh, das hoffe ich
so
sehr, Sangeeta. Das hoffe ich
so
sehr.»
Die beiden alten Collegefreundinnen umarmten einander, und dann verließ Ritika endgültig die Vishram Society.
Als Mrs Puri zurück ins Haus ging, kam Ram Khare auf sie zu. «Dieser Mann will mit Ihnen sprechen. Der vom Confidence-Konzern.»
Shanmugham, der auf seiner roten Maschine saß, wartete direkt vor dem Tor.
Sie wünschte, sie hätte Zeit gehabt, etwas Make-up aufzulegen. Wenigstens etwas Rouge.
Sie setzte sich hinter ihn auf seine Honda Hero; sie fuhren in Richtung Schnellstraße, wo sie an der roten Ampel hielten.
Endlich. Ihr Tête-à-Tête mit Mr Shah.
Mrs Rego war in einem Restaurant in Juhu gewesen; Masterji war in seinen Palast in Malabar Hill eingeladen worden; sie fand, für sie müsse es mindestens ein Fünfsternehotel sein. Wahrscheinlich das Hyatt, direkt in Vakola. Bei italienischem Kaffee und Kuchen würde Mr Shah ihr ein kleines Extra anbieten. Für die Arbeit, die sie bei Mrs Rego geleistet hatte. Und noch ein bisschen was dazu, wenn sie Masterji überreden konnte.
Natürlich waren Masterji und Mrs Rego im Mercedes zu ihm gebracht worden. Nicht so. Sie würde das dem Bauherrn gegenüber erwähnen müssen. Ihre
Enttäuschung.
Zu ihrer Überraschung bog Shanmugham an der Ampel weder nach links noch nach rechts ab, sondern fuhr geradeaus in Richtung Bahnhof.
Das Motorrad hielt vor dem Vihar. Sie kannte das Lokal, ein schmuddeliges südindisches Restaurant, in dem sie Tee trank, wenn sie mit dem Zug aus der Stadt heimkehrte. Sie strich sich durchs Haar, als sie vom
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