Leuchtende Sonne weites Land - Roman
»Wir sind nicht dazu verpflichtet. Aber falls wir uns entschließen sollten, wieder abzureisen, müssten wir die Heimreise aus eigener Tasche bezahlen.«
»Und wenn euch diese beiden äußerst schüchternen Männer gefallen sollten, wie geht es dann weiter? Ich meine, wird es so etwas wie eine Verlobungszeit geben?«
»Na ja, nur eine sehr kurze«, erwiderte Vera. »Wir werden ein paar Tage auf Wilpena Station bleiben, weil die Farm sozusagen neutraler Boden ist. Die Männer werden uns besuchen, und wir werden so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen, um einander besser kennen zu lernen. Es könnte ja auch sein, dass wir ihnen unsympathisch sind.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, warf Tess augenzwinkernd ein. »Wer könnte uns beiden Hübschen schon widerstehen?«
»Okay, Tess, ab jetzt kriegst du nur noch Limonade«, tadelte Vera streng, musste dann aber lachen.
»Wann werdet ihr abreisen?« Die Frauen würden Jacqueline fehlen, das wusste sie jetzt schon.
»Morgen«, sagte Tess.
»Was? Schon?« Jacqueline hatte geglaubt, sie würden noch ein paar Tage bleiben.
»Ja, wir nehmen den Zug nach Port Augusta, dort wird uns entweder Michael oder Tim abholen und nach Wilpena Station fahren.«
Jacqueline behagte der Gedanke, schon am kommenden Tag wieder allein zu sein, gar nicht. »Ihr werdet mir fehlen«, sagte sie leise.
»Begleiten Sie uns morgen Früh doch zu Mr. Cavendish«, schlug Vera vor. »Es kann nicht schaden, sich wegen der Stelle auf Wilpena Station zu erkundigen.«
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Jacqueline zuckte die Achseln. Allzu viele Möglichkeiten hatte sie nicht. »Und dieser Mr. Cavendish ist sicher, dass der Besitzer der Farm keine Frau sucht?«
»Ja, er sagte, er habe erst vor kurzem seine Frau verloren. Er hat auch erwähnt, dass der Mann vier Söhne hat.«
»Was? Dann sucht er ein Kindermädchen! Ich bin kein Kindermädchen. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Kindern.«
»So, wie ich das verstanden habe, sind die Kinder schon älter«, sagte Vera. »Sie arbeiten anscheinend zusammen mit ihrem Vater auf der Farm. Er braucht wohl jemanden, der dafür sorgt, dass das Essen pünktlich auf dem Tisch steht und das Haus in Ordnung ist. Er braucht eine Frau, die zu Hause alles organisiert, während er arbeitet. Wie ich schon sagte, jemanden, der die Angestellten beaufsichtigt. Zu Lebzeiten seiner Frau war das offensichtlich ihre Aufgabe.«
»Ich weiß nicht recht.« Jacqueline schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, mit einem fremden Mann und dessen Söhnen unter einem Dach zu leben.
»Hören Sie sich erst mal an, was Mr. Cavendish zu sagen hat«, schlug Tess vor. »Danach können Sie immer noch entscheiden.«
»Ja, das stimmt«, murmelte Jacqueline niedergeschlagen.
»Wenn Sie den Job annehmen, wären Tess und ich in der Nähe, wir könnten uns besuchen, das wäre doch nett.«
»Die Farmen könnten meilenweit auseinanderliegen«, gab Jacqueline zu bedenken.
»Aber es gibt bestimmt Telefone dort draußen. Wir könnten jeden Tag miteinander reden und uns gelegentlich besuchen.«
»Wir müssen unbedingt Auto fahren lernen, Vera«, sagte Tess.
Jacqueline, die ebenfalls nicht fahren konnte, bewunderte den Unternehmungsgeist der beiden Frauen.
»Ja, du hast Recht. In der Weite dort draußen ist das bestimmt nicht schwer«, erwiderte Vera aufgeregt.
Jacqueline schwieg. Im Stillen fasste sie einen Entschluss: Sie würde sich am anderen Tag in aller Frühe von neuem auf Arbeitssuche machen. Falls sie etwas Passendes fand, würde sie in der Stadt bleiben. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, auf einer Schaffarm zu leben, aber sie sagte nichts, weil sie Vera und Tess, die so hilfsbereit und nett zu ihr gewesen waren, nicht vor den Kopf stoßen wollte.
4
Als die drei Frauen am anderen Morgen im Speisesaal des Hotels frühstückten, bestand Jacqueline darauf zu bezahlen, obwohl sie ihr letztes Geld dafür ausgeben musste.
»Ihr habt mir so geholfen. Ich weiß nicht, wie ich das jemals wiedergutmachen soll«, sagte sie, als Vera und Tess protestierten.
»Das ist doch nicht der Rede wert«, versicherte Vera. »Man hilft doch, wenn jemand in der Klemme steckt.«
»Ich hoffe, das wird sich bald ändern. Ich werde gleich nachher die Stellenanzeigen studieren. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich heute etwas finde.«
»Ich denke, Sie sollten trotzdem mit Mr. Cavendish reden, bevor wir abreisen«, riet Tess.
»Mal sehen«,
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