Leuchtende Sonne weites Land - Roman
werde morgen Abend eine Grillparty geben, damit die Damen meine Nachbarn kennen lernen«, erklärte Ben. »Nichts Besonderes, bloß ein kleiner Imbiss, ein paar Bierchen. Ein paar Bekannte werden kommen. Tim Edwards kann es kaum erwarten.« Bei diesen letzten Worten sah er Tess an, die rot wurde und lächelte. Die beiden Männer wechselten einen Blick und fingen dann zu lachen an.
Was Vera und Tess nicht wissen konnten, war, dass Tim Edwards sich in ein Nervenbündel verwandeln würde, wenn er erfuhr, dass die Frauen eingetroffen waren. Tim war für seine Schüchternheit bekannt. Ben und Mike würden ihn vermutlich verschnüren und mit Gewalt nach Wilpena zum Grillfest schleifen müssen.
Michael klopfte Ben auf die Schulter und verabschiedete sich. Auf dem Weg zu seinem Auto drehte er sich noch einmal um und winkte Vera zu.
Als die Freundinnen und Ben Platz genommen hatten, sagte Tess, die sich fragte, was die Männer so komisch gefunden hatten: »In einem Ihrer Briefe erwähnten Sie, dass Tim sehr schüchtern ist.«
Ben nickte. »O ja, das ist er allerdings. Sie werden schon den ersten Schritt machen müssen, fürchte ich, denn wenn Sie darauf warten, dass er es tut, werden Sie bis in alle Ewigkeit warten. Er ist ein anständiger Kerl mit einem goldenen Herzen. Sie werden also nichts bereuen, das versichere ich Ihnen. Aber er kriegt bestimmt Schweißausbrüche vor lauter Nervosität, wenn wir ihn zu dem Grillfest einladen.«
Tess hatte Mitleid mit dem armen Tim. Sie selbst war als Kind auch sehr schüchtern gewesen, sie wusste, wie man darunter leiden konnte. Hätte ihre Mutter nicht darauf bestanden, dass sie an allen möglichen außerschulischen Aktivitäten teilnahm, hätte sie ihre Gehemmtheit vielleicht nie abgelegt.
»Hat er deshalb nie geheiratet?«, fragte sie. Sie befürchtete, dass Tim ein größeres Problem hatte, äußerte es aber nicht laut.
»Tja, er hätte erst einmal eine Freundin haben müssen, bevor er hätte heiraten können«, erklärte Ben. »Aber er hat nie eine gehabt. Hier draußen gibt’s viel zu wenige Frauen im heiratsfähigen Alter. Wir sagen ihm seit Jahren, er soll in die Stadt gehen und sich dort eine Frau suchen, aber er hat sich nie dazu durchgerungen. Deshalb bin ich auf die Idee gekommen, eine Frau hierher einzuladen. Aber wir werden ihm erst morgen Nachmittag Bescheid sagen, dass Sie da sind, damit er keine Zeit hat, eine Ausrede zu erfinden, warum er nicht zu dem Grillfest kommen kann.«
»Tess wird ihm seine Schüchternheit schon austreiben«, sagte Vera zuversichtlich.
»Das hoffe ich sehr. Sie werden sehen: Ist der Funke erst einmal übergesprungen, werden Sie sich inmitten eines flammenden Infernos wiederfinden.«
Die beiden Frauen lachten herzlich über diesen Vergleich, und Ben grinste. Er mochte die zwei. Sie hatten Humor und standenmit beiden Beinen fest im Leben. Er bezweifelte nicht, dass sie das Leben hier draußen meistern würden. Er wünschte nur, er könnte das Gleiche von seiner neuen Haushälterin sagen.
Als Jacqueline zwanzig Minuten später wieder herauskam, hatte sie ein frisches Kleid an und sich die Haare gewaschen.
»Das hat ja lange gedauert«, brummte Ben. »Hoffentlich haben Sie nicht den ganzen Vorrat im Regenwassertank aufgebraucht.«
»Ich habe mich in kürzester Zeit gewaschen«, gab Jacqueline patzig zurück. »Die letzten zehn Minuten habe ich damit zugebracht, meine verfilzten Haare auszukämmen.«
»Ich würde jetzt auch gern das Bad benutzen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Tess zu Ben und stand auf. »Ich werde mich beeilen, versprochen.«
Ben nickte. »Nur zu. Hätten Sie lieber heißen Tee oder Eistee?«, wandte er sich an Jacqueline.
»Eistee, bitte.« Sie setzte sich auf den Stuhl, auf dem Tess gesessen hatte. Als Ben ihr ein Glas reichte, fiel sein Blick auf Jacquelines stark gerötete Arme und Beine. Jacqueline spannte sich unwillkürlich an und zupfte an ihrem Rocksaum.
Ein wenig beleidigt, weil sie anscheinend dachte, er habe lüstern auf ihre Beine gestarrt, sagte Ben: »Ich glaube, Dot hat eine Salbe gegen Sonnenbrand im Medizinschränkchen. Sie hat Heilmittel für alles, was man sich vorstellen kann.«
»Dot?«, wiederholte Jacqueline fragend.
»Sie hilft mir im Haus.«
»Ach so, Ihre Köchin und Putzfrau.« Das musste die Haushilfe sein, die George Cavendish erwähnt hatte. »Wo ist sie denn?«
Jacqueline hatte einen flüchtigen Blick in die Zimmer geworfen, das Haus kam ihr ziemlich unordentlich und
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