Leuchtfeuer Der Liebe
übergehen. Leider schien das Gegenteil zuzutreffen. Er war verschlossener und einsilbiger denn je.
Wie konnte sie zu ihm durchdringen? Wie konnte sie seine Meinung ändern? Sie hatte keine Ahnung, wusste nur, dass sie es schaffen musste. Das Schicksal hatte sie ihm zugeführt, und es wäre ein Frevel, sich darüber hinwegzusetzen.
„Wie fühlen Sie sich, Mary?" unterbrach Fiona sie in ihren Gedanken.
„Gut", antwortete Mary. „Ich esse wie ein Pferd, habe Milch wie eine Kuh, und den Rest der Zeit schlafe ich zusammen mit dem kleinen Davy."
„Ausgezeichnet. Genau so soll es sein." Fiona setzte sich mit dem Säugling in den Korbstuhl, den Jesse in die Kammer gebracht hatte, und begann das Baby zu untersuchen. „Ein kerngesundes Kind. Mal abgesehen von Essen und Schlafen, ist sonst alles in Ordnung?"
„Ja, natürlich. Wieso auch nicht?" Mary spürte zu ihrem Entsetzen, wie ihr die Tränen in die Augen traten.
„Ach ja", seufzte Hestia mitfühlend. „Mir erging es bei jeder Geburt genauso. Himmelhoch jauchzend und im nächsten Moment zu Tode betrübt."
„Und Ihr Mann?" fragte Mary leise. „Hat Captain Swann sich auch nicht um Sie und das Baby gekümmert?"
Fiona musterte sie scharf. „Geben Sie ihm Zeit. Es hat sich alles viel zu schnell für ihn verändert. Er beruhigt sich wieder." Sie knöpfte dem Baby das Hemdchen zu. „Nicht wahr, kleiner Mann? Du wirst schon sehen, dein Papa wird ganz verschossen sein in dich."
Fionas leises Gurren brachte Mary zum Lächeln. Es war rührend, mit anzusehen, wie die sachliche Dr. MacEwan beim Anblick des kleinen Davy vor Zärtlichkeit nur so dahinschmolz. Hestia begann, die Geschenke wegzuräumen.
„Welch ein Segen, solche Freundinnen zu haben", seufzte Mary und lächelte unter Tränen. Im Kreise dieser Frauen fühlte sie sich geborgen. Obwohl Mary ihre Mutter schmerzlich vermisste, spürte sie die Liebe dieser Frauen. Die Art, wie Hestia die gestrickte Lammwolldecke zusammenlegte, die Fältchen um Fionas lachende Augen, all das erinnerte sie an ihre Mutter.
Kannst du uns sehen, Mama? fragte Mary stumm. Dein Enkelsohn ist ein strammer Junge. Es wird alles gut werden.
Und Mary schöpfte noch mehr Mut, als Magnus und Palina, zurück aus Astoria, mit einem isländischen Wortschwall ins Haus stürmten und in Tränen ausbrachen, als sie sich über den Säugling beugten.
„Es ist spät geworden, ich muss gehen", verkündete Fiona in Palinas schniefendes Schluchzen hinein.
„Ja, für mich wird es auch Zeit", fügte Hestia eilig hinzu. „Es gibt viel zu tun, seit mein Haus voll ist. Ich bringe den Clune- Kindern Lesen und Schreiben bei."
Mary freute sich über das glückliche Strahlen in den Augen der Witwe, als sie sich verabschiedete. Seit sie ihr Haus den Bedürftigen geöffnet hatte, hatte Hestia den verkniffenen Zug um den Mund und ihre affektierte Art verloren. Sie wirkte heiter und gelöst. Menschen brauchten einander. Es war so einfach. Warum nur fiel es Jesse so schwer, das zu begreifen?
Stolz wie frisch gebackene Großeltern wiegten Palina und Magnus den kleinen Davy in den Armen und flüsterten liebevolle Worte. Mary sah ihnen schweigend zu, es war ein Augenblick, der keiner Worte bedurfte. Vielleicht lag es an der Nachmittagssonne, deren Strahlen schräg durchs Fenster fielen, vielleicht aber war es auch Zauber. Die zwei alten Leute und das Kind waren in goldenen Schein getaucht wie die Heiligenfiguren eines Kirchenbildes.
Die Liebe in den Gesichtern der Alten brachte Mary beinahe wieder zum Weinen. Ich habe eine Familie, dachte sie. Ihre eigene Familie war in Irland gestorben, und hier, auf der anderen Seite der Erdkugel, hatte sie eine neue Familie gefunden.
Irgendwann nahm Mary Palina das schlafende Kind ab.
„Dies ist das schönste und glücklichste Ereignis auf unserer Station", erklärte Palina. „Jesse ist gewiss sehr stolz."
Mary senkte den Kopf, aber nicht schnell genug.
„Es gibt Schwierigkeiten, wie?" Magnus schlug sich aufs Knie. „Ich habe zwar nur eine Faust. Aber sie ist stark genug, um Vernunft in diesen Dickschädel zu dreschen."
„Nein ..."
„Warte ..."
Mary und Palina hatten gleichzeitig gesprochen. Sie sahen sich an und lachten.
„Lass ihn in Ruhe", sagte Palina. „Bei Erics Geburt warst du auch kein vorbildlicher Vater."
Magnus' Miene verfinsterte sich, dann küsste er seine Frau auf die Stirn, bevor er die Kammer verließ.
„Erzählen Sie", sagte Palina.
Mary streichelte das seidige Haar des Babys. „Ich
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