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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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wieder auszusprechen. Sie nie wieder zu fühlen.
    Als der Schlepper das Schiff in die Mündung des Columbia Rivers zog, hatte Emily an der Reling gestanden. Seine Emily. Seine wunderschöne Frau mit seinem Kind unter dem Herzen. Sie hatte mit dem Taschentuch gewinkt, das aussah wie ein kleiner weißer Vogel. Und Jesse hatte plötzlich das Gefühl gehabt, eine unheilvolle Finsternis senke sich über ihn wie eine schwarze Wolke, die sich vor die Sonne schob.
    Erst Jahre später wusste er, was an jenem Tag in ihm vorgegangen war. Die Wahrheit und die Erinnerungen tobten in ihm.
    „Wie ist sie gestorben?" flüsterte Mary, die geduldig abgewartet hatte.
    Er dachte immer noch an das weiße, flatternde Taschentuch. Ein Vogel. Nein, reiner, unschuldiger als ein Vogel. Schwerelos und ohne Form. Eine Seele, die in den Himmel aufstieg.
    Und ihn in die Hölle verdammte.
    Er blickte Mary Dare in die Augen. Wie ruhig und vernünftig sie wirkte, wenn auch bleich und angespannt. Und dazu hatte sie guten Grund. Wie, zum Teufel, konnte er auch nur eine Sekunde mit dem Gedanken spielen, ihr Einlass in sein Leben zu gewähren? Sie hatte ihn in das falsche Gefühl gelullt, er könne wieder ein Mann sein. Und das war falsch. Das würde er nicht sein. Nicht jetzt. Nie wieder.
    Und deshalb sagte er Mary die Wahrheit über das, was an jenem Tag im Hafen von Astoria geschehen war.
    „Wie Emily gestorben ist?" Seine Stimme klang schneidend. „Ich habe sie getötet."

11. KAPITEL
     
    M ary verließ Cape Disappointment, wie sie gekommen war - nur in dem, was sie auf dem Leib trug. Allerdings waren es diesmal ein trockenes Kleid aus gelb gemustertem Musselin und ein Fransenschal.
    Sachen, die einst Emily Leighton Morgan gehört hatten. E. L. M. Jesses Ehefrau. Seiner großen Liebe. Der Frau, die er getötet hatte.
    Während Mary unbemerkt aus dem Haus huschte, fragte sie sich, was in Jesse vorgegangen sein mochte, nachdem sie sich eigenmächtig Nachthemd, Unterwäsche und Kleid seiner Frau aus dem Schrank zu Eigen gemacht hatte. Vermutlich hatte sie Glück gehabt, dass er nicht in Raserei geraten war, sie mit seiner unglücklichen Emily verwechselt und sie gleichfalls umgebracht hatte.
    Düstere Gedanken begleiteten Mary auf dem gewundenen Pfad durch den dunklen Wald. Sie hatte diesen Ort für verzaubert gehalten, ohne zu ahnen, dass er von dunklen Mächten beherrscht war. Die grünen Schatten der Baumriesen, deren Äste mit silbergrauen Flechten behangen waren, wirkten plötzlich gespenstisch und bedrohlich. Eine riesige Nacktschnecke kroch in ihrer Schleimspur über den Weg. Sogar die Farne, deren junge Triebe sich aus ihrer geheimnisvollen Mitte wie lange Zungen streckten, wirkten bedrohlich.
    Dies war ein Ort der Finsternis und der Angst. Ein Ort für verlorene Seelen, die das Tageslicht scheuten.
    Ein Ort für verlorene Seelen wie mich.
    Sie hatte Cape Disappointment für einen Zufluchtsort gehalten und gehofft, hier Geborgenheit zu finden, aber sie hatte sich geirrt. Der Mann würde froh sein, wenn er entdeckte, dass sie fort war, nachdem sie sein Leben durcheinander gebracht hatte.
    Jesse Morgans Bild verfolgte sie. Sie wusste, dass er weit mehr vor ihr verbarg, aber eines hatte er ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben: Sie durfte nichts von ihm erwarten. Er interessierte sich nicht für sie und für das, was sie ihm bieten konnte. Er würde sie nie lieben, sie nie heiraten. Er hatte nur zugegeben, dass sie der erste Mensch war, der ihn nach vielen Jahren zum Lachen gebracht hatte. Aber Lachen genügte nicht, um die lichtlosen Winkel seiner Seele zu erhellen.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in einem Mann geirrt hatte.
    Nachdem er sich selbst des Mordes beschuldigt hatte, hatte sie ihn voller Entsetzen angestarrt, und er schien sich an ihrem Grauen zu weiden. Wie ein in die Enge getriebenes Tier hatte er sich in seine Höhle verkrochen. Das hatte er von Anfang an getan, in der Hoffnung, sie würde ihre Belagerung aufgeben und ihn in Frieden lassen. Doch Mary war erst durch seine furchtbare Selbstanklage klar geworden, wie sehr ihm daran gelegen war, sie loszuwerden.
    Er hatte völlig Recht. Sie gehörte nicht zu ihm.
    Aber sie würde ihn nie vergessen. Sie verglich ihn mit der Statue des Erzengels Gabriel in der Kapelle in Ballinskelligs in Irland. In jeder Falte seines Gesichts war tiefes Leid eingegraben. Und Mary Dare, die es nicht lassen konnte, ihre Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken, hatte

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