Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Dann konnte er geduckt hineinstürmen und sich links halten, Amos rechts und höher. Er wünschte, Havelock wäre da. Die Taktik war einfacher abzusprechen, wenn man gemeinsam trainiert hatte. Er winkte Amos, näher heranzukommen.
Holden klopfte an.
»Wie können Sie so einfach …«, flüsterte Miller aufgeregt, doch Holden ignorierte ihn.
»Hallo?«, rief Holden. »Ist jemand da?«
Miller spannte sich an. Nichts geschah. Keine Stimme, keine Schüsse. Nichts. Holden schien trotz des Risikos, das er gerade eingegangen war, nicht das Geringste zu befürchten. Naomis Miene verriet Miller, dass Holden nicht zum ersten Mal so vorging.
»Aufmachen?«, fragte Amos.
»Wäre gut«, sagte Miller, und im gleichen Moment antwortete Holden: »Ja, treten Sie sie ein.«
Amos blickte von einem zum anderen und wartete, bis Holden nickte. Dann lief Amos an ihnen vorbei, zerstörte die Tür mit einem einzigen Tritt und zog sich fluchend zurück.
»Alles klar?«, fragte Miller.
Der große Mann nickte und verzog das bleiche Gesicht zu einer Grimasse.
»Hab mir vor einer Weile das Bein gebrochen, die Schiene ist noch nicht lange ab. Das vergesse ich andauernd«, erklärte er.
Miller drehte sich wieder zu dem Zimmer um. Drinnen war es schwarz wie in einer Höhle. Das Licht ging nicht an, nicht einmal der schwache Schein von Monitoren oder Sensoren war zu erkennen. Mit gezogener Pistole trat er ein. Holden blieb dicht hinter ihm. Unter ihren Füßen knirschte es wie Kies, und in der Luft hing ein seltsamer Geruch, den Miller mit geborstenen Bildschirmen in Verbindung brachte. Darunter lag noch ein zweiter, weit unangenehmerer Geruch, über den er lieber nicht weiter nachdachte.
»Hallo? Ist jemand hier?«, rief der ehemalige Cop.
»Schalten Sie doch das Licht ein«, sagte Naomi hinter ihnen. Miller hörte, wie Holden an der Wand umhertastete, doch es geschah nichts.
»Funktioniert nicht«, meinte Holden.
Das trübe Licht, das vom Flur hereinfiel, half ihnen nicht. Miller hielt die Waffe fest in der rechten Hand und war bereit, jederzeit auf ein Mündungsfeuer zu schießen, falls sie jemand aus der Dunkelheit angriff. Mit der linken Hand holte er sein Handterminal hervor, schaltete die Hintergrundbeleuchtung ein und öffnete die leere weiße Seite eines Schreibprogramms. Einfarbiges Licht erhellte nun den Raum. Holden folgte seinem Beispiel.
An einer Wand stand ein schmales Bett, daneben gab es eine kleine Ablage. Das Bettzeug war zerwühlt wie nach einer Nacht voll schlechter Träume. Der Schrank stand offen, er war leer. Auf dem Boden lag ein unförmiger Raumanzug wie eine Schaufensterpuppe mit umgekipptem Kopf. Dem Bett gegenüber hing eine alte Unterhaltungskonsole an der Wand. Ein halbes Dutzend Schläge hatten den Bildschirm zerstört. Wo die Hiebe das Gerät verfehlt hatten, war die Wand verbeult. Ein drittes und noch ein weiteres Handterminal verstärkten das Licht. Allmählich waren in dem Raum sogar wieder Farben zu erkennen – billige Goldtöne an den Wänden, grüne Decken und Bettlaken. Unter der Koje schimmerte etwas. Ein älteres Handterminal. Miller hockte sich hin, als die anderen eintraten.
»Scheiße«, sagte Amos.
»Also gut«, erklärte Holden. »Niemand berührt etwas. Punkt. Absolut nichts.« Es war das Vernünftigste, was Miller bisher von dem Mann gehört hatte.
»Hier hat es einen höllischen Kampf gegeben«, murmelte Amos.
»Nein«, widersprach Miller. Möglicherweise Vandalismus, aber keinen Kampf. Er zog eine dünne Beweismitteltüte aus der Tasche und benutzte sie als Handschuh, um das Terminal hochzuheben, klappte das Plastik darüber und zündete die Ladung, die den Beutel verschweißte.
»Ist das … Blut?« Naomi deutete auf die billige Schaumstoffmatratze. Auf dem Bettlaken und dem Kopfkissen zeichneten sich fingerbreite feuchte Streifen ab. Sie waren dunkel, zu dunkel für Blut.
»Nein.« Miller sah sich weiter um.
Die Spuren führten ins Badezimmer. Der Detective hob eine Hand, hieß die anderen zurückweichen und schlich zu der halb geöffneten Tür. Im Bad war der hässliche Hintergrundgeruch viel stärker. Etwas Organisches und sehr Körperliches. Dung in einem Treibhaus, die Nachwehen von Sex oder der Geruch eines Schlachthauses. Oder auch alles zusammen. Die Toilette bestand aus gebürstetem Stahl, es war das Modell, das auch in Gefängnissen zum Einsatz kam. Das Waschbecken passte dazu. Die LED darüber und die andere in der Decke waren zerstört. Im Licht seines Terminals,
Weitere Kostenlose Bücher