Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
noch einmal: »Ist das wirklich Holden?«
»Rufen Sie die Gerichtsmedizin«, erinnerte Miller ihn. »Vertrauen Sie mir.«
25 Holden
Miller winkte Holden und ging zum Aufzug, ohne abzuwarten, ob jemand seiner Aufforderung Folge leistete. Die Überheblichkeit war aufreizend, doch Holden fügte sich.
»Wir waren gerade an einer Schießerei beteiligt, bei der mindestens drei Leute getötet wurden, und gehen jetzt einfach weg? Keine Verhöre, keine Aussagen? Wie ist so etwas möglich?«, fragte Holden.
»Professionelle Rücksichtnahme«, erwiderte Miller. Holden konnte nicht erkennen, ob der Mann scherzte.
Die Aufzugtür öffnete sich und entließ einen muffigen Geruch. Holden und die anderen folgten Miller, sobald dieser eingetreten war. Naomi stand vorn, also streckte sie die Hand aus und wollte auf den Knopf für das Erdgeschoss drücken, doch ihre Hand zitterte so sehr, dass sie die Bewegung unterbrechen und eine Faust ballen musste. Nach einem tiefen Atemzug drückte sie mit einem Finger auf den Knopf.
»Das ist doch Unfug. Die Tatsache, dass Sie mal ein Cop waren, gibt Ihnen nicht das Recht, sich an einer Schießerei zu beteiligen«, widersprach Holden, der hinter Miller stand.
Miller rührte sich nicht, schien sich aber ein wenig in sich zusammenzuziehen. Das Seufzen war tief und echt. Seine Haut wirkte grauer als vorher.
»Sematimba kennt das Geschäft. Die Hälfte des Jobs beruht darauf, genau zu wissen, wann man den Blick abwendet. Außerdem habe ich ihm versprochen, dass wir die Station nicht verlassen, ohne ihm Bescheid zu sagen.«
»Zur Hölle damit«, schimpfte Amos. »Sie geben für uns kein Versprechen ab, Kumpel.«
Der Aufzug hielt an, und sie sahen wieder den blutigen Schauplatz der Schießerei. Ein Dutzend Cops befanden sich im Raum. Miller nickte ihnen zu, und sie nickten zurück. Er führte die Crew aus der Lobby auf den Flur, dann drehte er sich zu ihnen um.
»Wir können das später noch klären«, sagte Miller. »Jetzt brauchen wir erst einmal einen Ort, wo wir reden können.«
Holden willigte achselzuckend ein. »Na gut, aber Sie bezahlen.«
Miller ging den Korridor hinunter zur Bahnstation.
Unterwegs legte Naomi Holden eine Hand auf den Arm und hielt ihn zurück, damit Miller etwas Vorsprung gewann. Als sie außer Hörweite waren, sagte sie: »Er hat sie gekannt.«
»Wer hat wen gekannt?«
»Der da.« Naomi nickte in Millers Richtung. »Er hat die Tote gekannt.« Sie drehte sich kurz zu dem Tatort hinter ihnen um.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Holden.
»Er hat nicht damit gerechnet, sie hier zu finden, hat sie aber erkannt, als er sie sah. Er war schockiert.«
»Oh, das habe ich überhaupt nicht mitbekommen. Er schien die ganze Zeit höchst gleichmütig zu sein.«
»Nein, sie waren befreundet oder so. Er hat Schwierigkeiten, sich damit abzufinden, also sollten Sie ihn vielleicht nicht zu hart anpacken«, erklärte sie. »Möglicherweise brauchen wir ihn noch.«
Millers Hotelzimmer war nicht viel besser als dasjenige, in dem sie die Tote gefunden hatten. Alex steuerte sofort das Bad an und schloss hinter sich ab. Das Geräusch des laufenden Wassers konnte das Würgen des Piloten nicht übertönen.
Holden setzte sich auf die schäbige Bettdecke, was Miller zwang, sich auf dem einzigen unbequemen Stuhl niederzulassen. Naomi setzte sich neben Holden auf das Bett, Amos blieb stehen und schritt wie ein nervöses Tier im Zimmer hin und her.
»So, jetzt können wir reden«, sagte Holden zu Miller.
»Wir wollen warten, bis alle da sind.« Miller nickte in Richtung Badezimmer.
Bald darauf kam Alex wieder zum Vorschein. Das Gesicht war kreidebleich, aber immerhin frisch gewaschen.
»Alles klar, Alex?«, fragte Naomi leise.
»Alles klar, XO«, erwiderte Alex. Er hockte sich auf den Boden und barg das Gesicht in den Händen.
Holden starrte Miller an und wartete. Der ältere Mann fingerte eine Weile an seinem Hut herum, dann warf er ihn auf einen billigen Plastiktisch, der auf einer Seite in der Wand verankert war.
»Woher wussten Sie, dass Julie in dem Zimmer war?«, fragte Miller.
»Wir wussten nicht einmal, dass sie Julie heißt«, erwiderte Holden. »Wir wussten nur, dass es jemand von der Scopuli sein musste.«
»Dann erklären Sie mir, woher Sie dies wussten.« In Millers Augen brannte eine erschreckende Leidenschaft.
Holden überlegte kurz. Miller hatte jemanden getötet, der versucht hatte, sie umzubringen, was sehr dafür sprach, dass er auf ihrer Seite stand.
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