Liebe auf den zweiten Kuss
schrecklich aus.« Nell blickte auf Schnuckiputz hinunter, die jetzt den Teppich ableckte, um auch den allerletzten Krümel zu erhaschen. »Sie war traumatisiert.«
Schnuckiputz sah zu ihnen allen auf, ließ den Kopf jämmerlich hängen und begann zu winseln.
»Und was jetzt?«, fragte Gabe, als sie sehnsuchtsvoll und zitternd zu ihm aufblickte.
»Marlene Dietrich hatte in ihren Filmen genau denselben Augenaufschlag, und zwar immer genau in dem Augenblick, bevor sie einen Mann um seinen ganzen Besitz brachte«, sinnierte Riley. »Diesem Hund fehlen nur noch Strapse und ein Zylinder.«
»Man hat Sie an der Nase herumgeführt, meine Liebe«, wandte sich Gabe an Nell. »Das kommt in unserem Beruf leicht einmal vor. Bringen Sie den Hund zurück.« Er blickte auf Schnuckiputz herab. »Vorzugsweise spät in der Nacht.«
»Eigentlich eine gute Idee«, pflichtete ihm Riley bei. »Nur hat sie das Tier geschoren, es schwarz eingefärbt und in Ralph-Lauren-Kleider gesteckt. Die eigene Mutter würde den Hund nicht mehr erkennen.«
»Sie haben ihn geschoren?« Gabe seufzte. »Sparen Sie sich bitte die Erklärung und schaffen Sie ihn von hier fort.«
»Bevor ich es vergesse«, wandte sich Riley an Nell, »Suze Campbell hat angerufen. Ich habe ihr gesagt, dass es dem Hund gut geht.« Er blickte auf Schnuckiputz herunter. »Natürlich habe ich gelogen.«
»Suze wer?«, hakte Nell überrascht nach.
»Dysart«, antwortete Gabe und warf Riley einen genervten Blick zu. Dann verschwand er in seinem Büro.
Schnuckiputz hob den Kopf und sah ihm interessiert nach. Als sie merkte, dass alle verbliebenen Augenpaare auf ihr ruhten, sackte sie wieder in sich zusammen.
»Woher kennst du Suzes Mädchennamen?«, hakte Nell nach.
»Gabe nennt dich also ›meine Liebe‹, habe ich das richtig gehört?« Riley hob die Augenbrauen. »Was hast du getan? Ihm Drogen ins Bier gemischt?«
»Wir haben uns unterhalten«, erwiderte Nell mit erhobenem Kinn. »Er konnte nicht anders, als meine kluge Vorgehensweise anzuerkennen.«
»Er hat dir das Versprechen abgenommen, deine Vorgehensweise radikal zu ändern, sonst kündigt er dir«, widersprach Riley.
Nells Kinn senkte sich. »Das auch. Aber woher weißt du...«
»Ich jedenfalls bin sehr froh, dass du bleibst«, fuhr Riley fort, und Nell lächelte ihn an. Seit Monaten hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt. Auf dem Teppich zu ihren Füßen litt Schnuckiputz währenddessen unter der mangelnden Aufmerksamkeit, winselte und warf ihm einen schmachtenden Blick über ihre lange, braune Nase hinweg zu.
»Bist du dir auch sicher, dass sie nicht misshandelt wurde?«, fragte Nell. »Sie benimmt sich so merkwürdig.«
»Leckerli?« Riley erhielt als Antwort ekstatisches Wimpernzuklappen. Er gab ihr einen Hundekuchen, und sie rollte sich auf den Rücken, hielt ihn zwischen ihren Pfoten und nagte beseelt daran. »Ganz sicher.« Er nahm die Hundekuchenschachtel. »Komm schon, Marlene. Zurück ins Versteck, falls jemand hier vorbeischneit, der nach dir Ausschau hält. Obwohl nur der liebe Gott weiß, warum jemand auf die Idee kommen sollte.«
»Marlene?«, wiederholte Nell.
»Ich werde keinen Hund ›Schnuckiputz‹ rufen. Das ist geradezu obszön.«
Marlene sah die beiden einen Augenblick lang eindringlich an, rollte sich dann auf die Füße, überprüfte den Teppich, ob sie auch keinen Krümel übersehen hatte und trottete in Rileys Büro. Als sie an ihm vorbeikam, bedachte sie ihn mit einem weiteren dramatischen Augenaufschlag.
»Einfach unglaublich«, staunte Nell.
»Diese Wirkung habe ich häufig auf Frauen«, gab Riley zurück.
»Einen Augenblick noch«, sagte Nell. »Woher weißt du...« Doch Riley hatte seine Tür bereits geschlossen.
»Wirklich unglaublich«, sagte Nell an niemanden Bestimmten gerichtet und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Am nächsten Tag machte sich Nell zu Fuß auf, um ihre Einkäufe zu erledigen, denn es war Samstag und sie wollte nicht mit Suze sprechen. Wenn sie in der Wohnung bliebe, würde Suze vorbeikommen. Sie durfte ihr nichts sagen, durfte nicht fragen, ›wie soll ich denn Margie nach ihrer Mutter ausfragen? ‹, konnte noch nicht einmal fragen, ›soll ich Margie überhaupt über ihre Mutter ausfragen?‹.
Sie betrachtete das Problem aus jedem nur denkbaren Blickwinkel, während sie durch die Gänge des Supermarkts schlenderte und gelbe Paprika, frischen Spinat, herrliche Kartoffeln und reife, glänzende Tomaten einsammelte. Die Farben waren
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