Liebe auf den zweiten Kuss
weitere der ›Secrets‹ aus und versuchte, zu verdrängen, was sie noch alles satt hatte. Sie hatte so ein gutes Leben. Alles war prima.
»Was ist denn?«, erkundigte sich Nell. Suze wollte sich gerade umdrehen und ihr sagen, dass alles in Ordnung war, als sie bemerkte, dass Nell Margie anblickte.
Der Teller in Margies Hand hatte als Dekor eine rosa Rose in der Mitte. Ein hübscher Teller, doch Margie starrte ihn an, als seien Totenköpfe darauf abgebildet.
»Margie?«, hakte Suze nach. »Meine Mutter hatte auch solches Porzellan«, erwiderte sie. »Nicht genau dieses Muster, aber auch eines mit Rosen.«
Ihre Mutter. Suze blickte Nell an, die betreten dreinsah. Das hast du vorhin schon versucht , dachte sie, Margie dazu zu bringen, über ihre Mutter zu sprechen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie wütend auf Nell.
»Möchtest du den Teller haben?«, fragte Nell. »Er gehört nicht zum Service. Das Muster nennt sich ›Patricia Rose‹. Es ist eines von Susies Entwürfen.« Beim Reden musterte sie Margies Gesicht, doch Margies Ausdruck veränderte sich nicht. Schließlich fragte sie sanft: »Was ist los, Margie?«
»Sie hat sie alle zerschmettert«, murmelte Margie schließlich. »Es war das Porzellan meiner Großmutter Ogilvie und sehr teuer. Sie besaß es bereits seit Jahren, und es wurde nur an den Feiertagen benutzt. Dann hat mein Vater ihr vorgeworfen, sie sei langweilig und hat sie verlassen. Und da stand sie dann mit all ihrem Porzellan.«
»Margie?« Suze streckte die Hand aus.
»Ich bin eines Tages nach Hause gekommen, um nachzusehen, ob es ihr auch gut ging, weil sie nach Papas Fortgang so still geworden war. Als ich ankam, trug sie ihre besten Kleider und ihren schönsten Schmuck und zertrümmerte das Porzellan mit einem Hammer.«
»Das Gefühl kenn ich. Mir geht’s ähnlich mit dem ›Spode‹-Porzellan der Dysarts«, pflichtete Suze ihr bei, bemüht, die Situation zu entspannen. »Das Zeug würde ich auch am liebsten mit dem Holzhammer zerschlagen.«
»Ich bekam Angst, da rief Papa an und ich sagte ihm, er solle sofort vorbeikommen. Doch er meinte, ich sollte Mama ins Krankenhaus bringen. Und während ich noch mit ihm redete, ging sie in die Garage und hat sich erschossen.«
Margie starrte immer noch auf den Teller.
Suze erschauerte. »Ach, Liebling.« Sie legte den Arm um Margie und drückte ihren kleinen, weichen Körper an sich. Nell nahm Margie vorsichtig den Teller aus der Hand. »Es tut mir so Leid, Margie. Wirklich.«
»Ich habe das Porzellan der neuen Frau meines Vaters gegeben«, murmelte Margie mit erstickter Stimme an Suzes Schulter. »Sie hat es gehasst, aber sie musste es behalten, weil mein Vater es so nett von mir fand, sie auf diese Art und Weise in die Familie aufzunehmen. Ich hätte am liebsten jedes Mal gekotzt, wenn ich es gesehen habe.« Sie atmete tief durch. »Ich kann nur hoffen, dass Olivia es erbt.«
Suze drückte sie noch fester an sich.
»Margie...«, begann Nell.
»Ich hatte solche Angst um dich«, sagte Margie an Nell gewandt. »Sie sah genauso aus wie du, als ob sie das, was passiert war, einfach nicht begreifen konnte. Und dann wolltest du dein Porzellan nicht auspacken...«
»Aber jetzt ist es doch fast vollständig ausgepackt«, beruhigte sie Nell. »Den Rest packe ich später aus. Nein, wir packen ihn später gemeinsam aus. Wir machen es gemeinsam und nichts wird dabei zu Bruch gehen. Mir geht es gut, Margie. Bis vor kurzem war das nicht so, doch jetzt geht es mir gut. Ihr würdet kaum glauben, wie viel Essen ich im Kühlschrank habe. Und ich esse es, mein Gott, ich kann kaum aufhören zu essen, weil alles so gut schmeckt.«
Margie putzte sich die Nase und Suze sagte: »Übertreib’s nicht damit, ich habe nämlich meine Schränke durchgesehen und dir alle möglichen Sachen mitgebracht, in die ich nicht mehr hineinpasse. In leuchtendem Blau wirst du einfach hinreißend aussehen.«
Margie richtete sich etwas auf. »Nell in leuchtendem Blau?«, fragte sie zweifelnd, aber ihr Blick wanderte nicht mehr zum Porzellan zurück, als sie mit Nell nach oben ging. Suze nahm den Rosenteller und versteckte ihn in der untersten Ecke des Geschirrschranks, so weit wie nur irgend möglich von Margie entfernt.
Etwas später betrachtete sich eine Margie im rosa Pullover stirnrunzelnd in Nells Spiegel. Während Suze mit Nell zur Haustür eilte, um Jase und Lu hereinzulassen, die das zweite Gästebett brachten. »Ich habe den Teller ganz nach unten gepackt«,
Weitere Kostenlose Bücher