Liebe stand nicht auf dem Plan
»Hätten Sie nach den Drohungen nicht besser in Ihrem Laden sein sollen? Wo haben Sie denn gesteckt, Herr Borg?« Das müssen sie schon ihm überlassen, regt er sich auf. Die ganze Geschichte macht ihn wahnsinnig. Er hat keine Ahnung, inwieweit die Aktionen der Pitbull-Idioten auf seinen Laden von den Leuten abgesegnet sind, die auf dem Kiez was zu sagen haben. Die meisten von ihnen kennt er, und die haben ihn immer in Ruhe gelassen. Das liegt an der Branche und an der Klientel, die nur wegen des Clubs auf den Kiez kommt. Es sind nicht die, die sich nach dem Konzert, wenn sie sich müde gehottet haben, im Salambo eine Sex-Show ansehen und dazu Schampus saufen. Zu ihm kommen Musikfans, die Spaß haben wollen und für das Kiez-Lokalkolorit unverzichtbar sind. Leif verzieht das Gesicht bei dem Gedanken an seine Unterhaltung mit dem zuständigen
BüNaBe 1 . Demnach soll er, der gute Onkel Borg, ein wachsames Auge auf die künftigen Beamtenpensionszahler haben, und nicht etwa der BüNaBe, der es wohl kaum erwarten kann, endlich pensionsberechtigt zu sein! Einen Infarkt kriegt man von dem Scheiß, der einem Tag für Tag zugemutet wird.
Leif ist am Club angelangt, schließt den Briefkasten auf und holt die Getränkerechnung heraus, die Rechnung für die Putzmittellieferung, eine Aufforderung zur Abgabe der monatlichen Vorsteuer, als ob er die nicht schon überwiesen hätte, dann noch die Honorarrechnung der Polite Punks, das nimmt er zumindest an, ein Liebesbrief wird’s nicht sein. Zuerst reißt er den Werbebrief mit Adressaufkleber ohne Absender auf und geht zur Mülltonne, um ihn gleich zu entsorgen. Falsch. Es ist ein sehr persönlicher Brief.
BORG.
DU KRIEGST ÄRGER.
DU DENKST DU HASTN SCHIKEN BMW M5ER. DA DENKST DU
FALSCH.
DEIN AUTO IST SCHROT, SCHROT, SCHROT!
DU DENKST DU HASTN CLUB. ABER DER CLUB IST UNSER
CLUB!
BESSER DU KAPIERST.
SAG TSCHÜSS ZU DEINER KARRE UND ZU DEINEM CLUB.
ODER KRIEG.
WIE DU WILLST
Riesige Buchstaben, Computerausdruck auf einem A4 Blatt, zweimal gefaltet. Leifs schicke Schrot-Schrot-Schrot-Karre wartet
draußen unschuldig auf ihn. Soll er sie nach Hause fahren und in die Garage stellen? Einen Moment lang steht er unschlüssig rum. Völlige Leere im Kopf. Dann setzt er sich in den Wagen und verlässt den Hinterhof. Seine letzte Freundin, die schöne Holly, hat ihn verlassen, weil er bei einem alkoholgetränkten Geplauder an der Bar hat fallen lassen hat, dass er seine Karre liebt. »Meinen M5er, den liebe ich schon sehr«, hat er gesagt. Sie ist abrupt aufgestanden, hat ihr Täschchen umgehängt, mitleidig auf ihn hinuntergeblickt, und weg war sie. Keinen Anruf, keine SMS hat sie erwidert. Als er an ihrer Tür klingelte, hat sie nicht mehr aufgemacht. Dabei mochte er Holly sehr gern. Klar hätte er ihr nicht sagen sollen, dass er sein Auto liebt. Ihr hätte er es sagen sollen, wenigstens ein einziges Mal. Aber es stimmt nun mal. Leif atmet tief durch die Nase. Er liebt den Geruch, den Sound, den Komfort seines schicken Gefährts. Es hat eine Seele, verdammt noch mal! Er wird nicht zulassen, dass es jemand zu Schrott haut.
Drei Straßenecken weiter ist ein Parkhaus. Leif hält an der Schranke und winkt Paul aus seiner Kontrollbude heraus.
Paul hat die siebzig hinter sich. Auf dem Kiez kennt ihn jeder. Die einen sagen, er hätte vor vierzig Jahren die Geschäfte des Eros-Centers verwaltet, die anderen behaupten, er sei nur steter Kunde gewesen. Alles Schnee von gestern, jetzt bessert er seine Rente auf.
Paul klopft auf das Autodach und knurrt: »Mach die Karre aus. Wenn du mich vergiftest, erschein ich dir im Traum.«
Leif stellt den Motor ab. »Jemand will mir am Lack kratzen. Wo stell ich mein Baby ab, dass du’s im Auge behalten kannst?«
Die blauen Augen leuchten verschmitzt. »Biste wem auf die Füße getreten?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Umso schlimmer. Zweites Untergeschoss, Nummer 117. Da kann ich zukucken, wenn einer mit nem Baseballschläger draufhaut. Bloß Runtersprinten ist nicht drin. Mein Körper ist nicht mehr die gefährliche Waffe, die er mal war.«
Paul tippt gegen die Mütze und geht in sein Kabuff zurück. Aufrecht, nicht gerade federnden Schritts, aber auch nicht schlurfend.
Auf dem Fußweg zurück zum Club wird Leif immer deprimierter. Den Brief auf der Wache abzugeben, bringt nichts. Unwahrscheinlich, dass die ihn auf Fingerabdrücke untersuchen. Am besten verkauft er den Laden und sucht sich was Ruhigeres. Leif stolpert, und das bringt ihn aus der
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